Lizenz zum Kuessen
sich der Länge nach auf ihr Bett fallen und starrte zur Decke hinauf. Was war los mit ihm? Ihre Adresse konnte er herausfinden, aber ihre Telefonnummer nicht?
»Nikki?«, fragte Ellen, die in der Tür erschienen war. Sie hatte Nikkis Teller in der Hand. »Alles in Ordnung? Willst du dein Essen noch?«
»Oh«, sagte Nikki und setzte sich auf. »Ja, danke.«
»Ich habe dir noch eine Co-Cola mitgebracht.« Jenny, die hinter Ellen hereinkam, kürzte den Namen in Südstaatenmanier ab und hielt eine eiskalte Coladose in der Hand.
»Danke.« Nikki ließ die Karte schnell unter ihrer Matratze verschwinden und nahm Ellen den Teller ab. Sie wusste, dass Jenny und Ellen ihr kleines Manöver nicht entgangen war, aber sie hatte keine Lust, den beiden die komplizierten Umstände zu erklären, die dazu geführt hatten, dass sie eine Glückwunschkarte zu ihrem vermeintlichen Hochzeitstag geschickt bekam.
»Wollen wir gleich noch auf den Schießplatz gehen?«, fragte sie in der Hoffnung, die beiden abzulenken.
»Ja, klar.« Jenny nickte.
»Cool«, meinte Nikki, schob sich den Rest Hühnerbrust in ihr Brötchen und schnappte sich die Coladose. »Dann nichts wie los.«
Die Abendsonne im Rücken, marschierten Jenny, Nikki und Ellen hinaus zum Schießplatz. Jenny und Ellen trugen etliche Handfeuerwaffen, während Nikki vollauf mit ihrem Hühnersandwich beschäftigt war.
»Hat es einen bestimmten Grund, dass ihr gleich zehn Knarren ausgeliehen habt?«, wollte Nikki wissen.
»Es sind nicht zehn, sondern …« Jenny zählte kurz durch. »Nur sechs.«
»Okay, und warum sechs?«, fragte Nikki, in Gedanken schon wieder bei Z’evs Karte.
»Weil es wichtig ist, dass du verstehst, wie verschiedene Waffentypen funktionieren. Erst wenn du dieses Grundwissen sicher intus hast, kannst du mit den jeweiligen Waffen auch richtig umgehen. Erzählst du uns jetzt endlich, wer dich besucht hat?«, wechselte Jenny jäh das Thema.
»Nicht doch«, wies Ellen sie zurecht. »Vielleicht hat sie
schlechte Nachrichten bekommen und will nicht darüber reden.«
»Wenn sie nicht darüber redet, können wir ihr auch nicht helfen.«
Mit erwartungsvollem Blick sahen die beiden Nikki an.
»Es ist eigentlich kein großes Geheimnis«, sagte Nikki verlegen. »Ich war nur … also, bevor ich hierherkam, habe ich eine Woche bei den Merrivels gewohnt, und Mr M. hat mir eben ein paar Sachen gebracht, die ich bei ihnen vergessen hatte.«
»Du hast bei Mrs Merrivel gewohnt? Wie ist ihr Haus?«, wollte Ellen wissen.
»Nobel«, meinte Nikki. »Alles sehr geschmackvoll. Und die Küche ist einfach fantastisch.«
»Schön, und was war das für eine Karte?«, fragte Jenny und grinste, als Nikki rot wurde.
»Die war von einem Mann, nicht wahr? Ha, ich wusste es! Männerpost verschwindet immer unter der Matratze. Wer ist er? Dein Freund? Wie habt ihr euch kennengelernt?«
»Eigentlich weiß ich selbst nicht so genau, wer er ist«, fing Nikki vorsichtig an. »Es ist alles etwas kompliziert. Ich glaube … Nein, keine Ahnung, was ich glaube.« Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie die Verwirrung vertreiben, die sie immer überfiel, wenn sie an Z’ev dachte.
»Du brauchst auch gar nicht zu wissen, was du glaubst«, beschied Jenny. »Du sollst uns nur die Geschichte erzählen, und dann sagen wir dir schon, was du zu glauben hast.«
»Wenn du nicht willst, musst du es uns nicht erzählen«, versicherte ihr Ellen. »Aber manchmal kann es nicht schaden, eine zweite Meinung zu hören. Oder auch eine dritte«, fügte sie belustigt hinzu.
»Also …«, fing Nikki wieder an. »Es ist kompliziert. Ich
wollte ihn gar nicht kennenlernen. Eigentlich wollte ich nur nach Kanada.«
»Nach Kanada? Was gibt es denn da?«, fragte Jenny entgeistert.
»Kanadier«, erwiderte Nikki knapp, denn sie wollte sich jetzt ganz darauf konzentrieren, wo genau die Geschichte überhaupt angefangen hatte. »Ich wollte nach Vancouver. Da hatte ich ein Vorstellungsgespräch. Nur konnte ich mir den Flug nicht leisten.«
Als sie am Küchentisch gesessen hatte und die Sonne direkt auf den mit »Einladung zum Vorstellungsgespräch« überschriebenen Brief fiel, war Nikki überzeugt gewesen, dass dies ein Wink des Schicksals war. Sie sollte nach Kanada zurückkehren.
»Glaubt ihr an Schicksal?«, fragte sie die beiden. »Ich meine, habt ihr schon mal so sehr an etwas geglaubt, dass ihr euch absolut sicher wart, dass es passieren würde?«
»Ja«, sagte Jenny. »Ich war mir absolut sicher, dass
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