Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
›Joe aus Paris‹ bei Ihnen melden. Sie sollten Joe dann schnellstmöglich treffen. Er wird sich dann entsprechend ausweisen und seinen Auftrag erklären«, kabelten die CIA-Headquarters am 19. September 1960 an CIA-Posten Léopoldville.
Am 26. September trifft Gottlieb mit den Ampullen in Léopoldville ein. Auf dem Weg vom Flughafen zum »Safehouse« der Agency, in Devlins altem Peugeot 403, schildert »Joe« ihm seinen Plan, während aus dem Autoradio laute Musik dudelt, ein alter Agententrick, um der Gegenseite, die vielleicht über versteckte Wanzen mithört, die Arbeit zu erschweren. »Um Himmels Willen«, entfährt es dem CIA-Mann, als Gottlieb die Katze aus dem Sack gelassen hat, »wer hat das abgesegnet?« – »Der Präsident!«
Aber wie sollte das Gift in Lumumbas Zahnpasta oder in Lumumbas Essen kommen? Der Premierminister hält sich in der Residenz des vormaligen belgischen Generalgouverneurs auf, einem Gelände hoch über dem Kongo-Fluss, er steht zudem unter dem Schutz von Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Formal ist Lumumba vom kongolesischen Präsidenten abgesetzt worden, doch er weigert sich, seine Absetzung zu akzeptieren. Und die Amerikaner fürchten seinen Einfluss noch immer. Doch so sehr Gottlieb seinHirn auch martert, es kommt ihm keine zündende Idee, wie sie Lumumba das Toxin unterschieben könnten. Frustriert beendet er am 5. Oktober seinen Besuch im Kongo und fliegt nach Hause zurück.
»Joe hat einige Dinge hier gelassen, die weiterhin von Nutzen sein können. Stations-Chef wird versuchen, die Umsetzung der Op fortzuführen« (Kabel CIA-Posten Léopoldville an CIA-Headquarters vom 7. Oktober 1960).
Tatsächlich hat Lawrence Devlin gar nicht vor, den Plan in die Tat umzusetzen. Später wird er in einer geheimen Zeugenaussage einräumen, er habe sich geschämt. Damals traut er sich aber nicht, das seinem Boss Allen W. Dulles zu übermitteln, schließlich scheint die Operation von oben abgesegnet, von ganz oben sogar. Doch Agenten in fernen Ländern führen oft ein Eigenleben, und sie nehmen sich bisweilen auch die Freiheit, Entscheidungen ohne weitere Rücksprache zu treffen. Langley ist weit weg, und diese Bürokraten im Hauptquartier haben oft keine Ahnung, wie es draußen wirklich zugeht. Also holt Devlin unter größter Vorsicht die Ampullen mit dem Toxin aus seinem Tresor, geht damit zum Ufer des Kongo und vergräbt sie dort.
Zurück in Washington wird Sidney Gottlieb umgehend zum Rapport gebeten. Vorwürfe habe es keine gegeben, teilt er den Senatoren des Ausschusses bei seiner Befragung im Oktober 1975 mit, Dulles und seine Leute hätten allerdings sämtliche Vergiftungspläne damals ad acta gelegt.
»Wenn möglich, Kommando beauftragen mit der Entführung von Lumumba durch Überfall auf seinen Wohnsitz!« (Kabel CIA-Headquarters an CIA-Posten Léopoldville vom 15. Oktober 1960).
»Bin nicht in der Lage gewesen, jemand aus seinem Umfeld zu gewinnen, fordere schnellstmögliche Lieferung von Präzisionsgewehr ausländischer Herkunft mit Zielfernrohr und Schalldämpfer. Man kann hier gut zur Jagd gehen, wenn Lichtverhältnisse günstig sind« (Kabel CIA-Posten Léopoldville an CIA-Headquarters vom 17. Oktober 1960).
Maschinengewehrsalve statt Gift: Der charismatische kongolesische Premierminister Patrice Lumumba kurz nach seiner Gefangenennahme im Januar 1961.
Am 1. Dezember 1960 wird Patrice Lumumba nach einem Putsch seines Gegenspielers Colonel Joseph Mobutu gefangen genommen, in die Provinz Katanga verschleppt und dort am 17. Januar 1961 von einem belgischen Offizier mit einer Salve aus seiner Maschinenpistole exekutiert. Am selben Tag noch kabelt die CIA-Basis in Elisabethville, der Hauptstadt von Katanga, nach Langley: »Besten Dank für Patrice. Wenn wir gewusst hätten, dass er kommt, hätten wir eine Schlange für ihn gebraten!«
Die parlamentarische Untersuchungskommission kam 1975 zu dem Ergebnis, es gäbe keine gesicherten Zusammenhänge zwischen dem geplanten Giftanschlag der CIA und der späteren Ermordung Lumumbas. Andererseits zeigten sich Frank Church und seine Kollegen schockiert, dass die amerikanische Regierung bereit gewesen sei, den gewählten Premierminister eines anderen Landes zu ermorden, obwohl der kein Verbrechen begangen und noch nicht einmal eineDrohung an die Adresse der Vereinigten Staaten gerichtet hatte. Lumumbas einziger Fehler war, dass er Beistand von den Sowjets suchte, um sein auseinanderbrechendes Land zusammenzuhalten. Damit stand
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