Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
zwei Fußgänger, eine deutsche Nonne und die 34-jährige Sekretärin Susan Warham aus England; darüber hinaus gibt es zahlreiche Schwerverletzte. Die Rache der Israelis fordert einen gigantischen Blutzoll.
Erika Chambers verlässt den Tatort wenige Minuten nach dem Anschlag mit einem Koffer. Dem Concierge in der Lobby ihres Apartmenthauses teilt sie im Hinausgehen mit, vorläufig in einem Hotel übernachten zu wollen, bis sich die Sicherheitslage im Viertel beruhigt habe. Sie nimmt ihren eigenen Leihwagen und fährt auf Umwegen in das Hotel zu Ronald Kolberg. Angeblich hat sie damals ihren echten britischen Pass in ihrer Wohnung vergessen. Ist ihr Aufbruch überhastet, kopflos und unprofessionell gewesen? Allerdings ist in den britischen Akten über den Fall von einem zurückgelassenen Pass keine Rede. Sicher ist, dass Chambers, zusammen mit ihrem Kollegen Kolberg, am 22. Januar auf den Einbruch der Nacht wartet. Dann fahren sie erneut an den abgelegenen Strand, wo sie kurz vor Mitternacht von den Froschmännern in ihren Zodiac-Booten aufgenommen und zum vor der libanesischen Küste kreuzenden Raketenschnellboot gebracht werden.
Das Apartment, von dem aus der »rote Prinz« in die Luft gejagt worden ist, wurde schnell von PLO-Sicherheitskräften gefunden. Sie hatten das Viertel systematisch durchkämmt. »Die Durchsuchung ihrer Wohnung hat zu nichts geführt«, kabelte die britische Botschaft in Beirut am 27. Januar nach London, »alle ihre Papiere und Wertsachen sind verschwunden«.
Schon Tage nach der Ermordung begannen diplomatische Verwicklungen zwischen den Regierungen in London und Jerusalem, nachzulesen in den freigegebenen Akten des Foreign Office ihrer Majestät. Die Engländer schienen damals irritiert und alarmiert, aus nachvollziehbaren Gründen: Es handelte sich bei der Attentäterin um eine britische Staatsbürgerin, es war ein gefälschter britischer Pass (auf den Namen Peter Scriver) für die Operation benutzt worden, und mit Susan Warham gab es auch ein britisches Opfer.
Am 8. März zitierte der britische Außenminister den israelischen Botschafter zu sich. Es stehe »außer jedem Zweifel, dass Israel involviert war«, es sei ja »auch nicht das erste Mal, dass britische Pässe« für eine solche Operation missbraucht wurden, echauffierte sich der Chefdiplomat, das alles »stehe in totalem Widerspruch zu den guten Beziehungen zwischen Großbritannien und Israel«, eine »Wiederholung könne nicht toleriert werden«. Hinzu kam ein ganz praktischer Grund: Abu Hassans Force 17 habe »eine große Rolle für die Sicherheit unserer Botschaft in Beirut gespielt«, heißt es in einem der Memoranden, und sie solle diese auch weiterhin spielen. Aufklärung im Interesse der Kooperation mit der PLO sei deshalb dringend geboten. Für die Israelis war die Force 17 eine Terrorbande, für Briten und Amerikaner eine Schutztruppe.
Unterdessen wandte sich die Mutter von Susan Warham mit der Bitte um Unterstützung ans Foreign Office , sie beabsichtige, eine Schadensersatzklage gegen die israelische Regierung einzureichen. Dabei gehe es ihr nicht um eine finanzielle Entschädigung, sondern vielmehr um eine Feststellung der israelischen Schuld. Die Chancen seien »praktisch null«, schrieb das Ministerium bedauernd zurück und riet von einem solchen Schritt ab.
Hinter den Kulissen ging der diplomatische Eiertanz weiter. Am 31. Mai 1979 kabelte der britische Botschafter in Tel Aviv nach London (siehe Faksimile auf S. 236): »Bei einem Gespräch gestern Abend in unserem Haus, habe ich einen hochrangigen Mossad-Verantwortlichen daran erinnert, dass ich noch immer die Versicherung benötige, um die ich ihn ersucht habe, dass die Israelis nicht wieder britische Pässe missbrauchen würden, wie sie es im Falle der Hinrichtung von Abu Hassan getan hätten. Mein Gesprächspartner sagte, dass sein Dienst die Verwirrung bedaure, die von ihnen verursacht worden sei. Wenn sie aber die von uns verlangte Versicherung abgäben, würden sie ja einräumen, dass sie an der Hinrichtung … beteiligt waren. Das könnten sie nicht machen. Ich sagte ihm, dass wir in dem Fall mit einer Versicherung zufrieden seien, dass die Israelis niemals britische Pässe missbrauchen werden, unter Verzicht auf das Wort ›wieder‹. Damit war er einverstanden.«
Nach der Hinrichtung des »roten Prinzen« in Beirut beschwerte sich die britische Regierung in Jerusalem, dass für das Attentat gefälschte britische Pässe eingesetzt worden waren.
Das
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