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Lob der Faulheit

Lob der Faulheit

Titel: Lob der Faulheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Hohensee
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die Erde zunehmend vergiften. Von der sich anbahnenden Klimakatastrophe ist in den Medien fast täglich die Rede. Die Frage ist, ob wir im letzten Moment einen neuen Weg einschlagen oder im Delirium des Arbeitswahns und nach einem allerletzten Konsum-Feuerwerk lieber untergehen.
     
    Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag, besteht durchaus Hoffnung. Selbst psychische Zwangsstörungen sind heute heilbar. Wer unter inneren Zwängen leidet, vollführt absurde, vollkommen unnötige Handlungen. Der Betroffene
meint beispielsweise, sich ständig waschen oder den Herd kontrollieren zu müssen. Er hat zwar Einsicht in die Verrücktheit seines Tuns, macht aber trotzdem weiter.
     
    Ist das nicht genau unsere Situation? Wissen wir nicht längst, dass wir auf einem falschen Weg sind? Und machen wir nicht trotz der gewonnenen Einsichten in die Probleme einfach weiter?
     
    Wir haben die Wahl. Wir können ignorieren, dass unser Lebensstil samt Disziplin und Fleiß uns in eine lebensbedrohliche Situation gebracht hat. Wir können weiter leugnen, dass es überall fast ausweglos scheinende Krisen gibt: in der Umwelt, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft.
     
    Wir können auf weitere Katastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima warten. So lange zögern, bis uns durch den steigenden Meeresspiegel das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht. Uns entscheiden, lieber zu sterben.
     
    Oder wir können uns ändern. Jetzt!

Eine Frage des Bewusstseins
    Gibt es wirklich Alternativen zur Disziplin? Verfällt die Welt nicht in Chaos, wenn wir aufhören, uns mithilfe von Angst und schlechtem Gewissen zu manipulieren? Brauchen wir nicht Zwang, weil wir sonst aufhören, uns um unsere dringenden Interessen zu kümmern? Kennen wir nicht alle Menschen, die nur aktiv werden, wenn sie einen Tritt in den Hintern bekommen? Haben wir nicht manchmal selbst diese Erfahrung gemacht?
     
    Diese oder ähnliche Fragen kommen auf, wenn ich über den Segen der Faulheit spreche. Mich überrascht das nicht. Ich rechne damit. Wir haben so lange in einem Untertanensystem gelebt (in Deutschland zu weiten Teilen noch bis 1989), dass Änderungen nicht von heute auf morgen möglich sind.
     
    Arbeit und Leistung waren lange Zeit die höchsten Werte dieser Gesellschaft. Liebe kam nur am Rande vor. Kreativität wurde mit Argwohn betrachtet. Entspannung war als Abweichung von der Norm unerwünscht. Glück galt als Gottesgnade.
     
    Wer sein Leben lang gegängelt wird, verlernt, wie man aus eigener Initiative selbstmotiviert etwas anpackt, weiß nicht mehr, wie man sich berufliche und private Ziele setzt und Schritt für Schritt, nach Lust und Laune, verwirklicht.
     
    Nur wenige hatten früher das Glück, in einer Umgebung aufzuwachsen, die ihre Interessen geachtet hat. Für die meisten galten Lehrpläne, die sie sich nicht aussuchen konnten. Sie wurden auf Krieg programmiert. Ein langes, hartes Arbeitsleben für die Profite der Reichen und Mächtigen sollte ihr Schicksal werden.
Die Gedanken, die sie hatten, hielten sie für ihre eigenen, obwohl es nur traditionelle Denkweisen waren. Sie glaubten manchmal sogar, frei zu sein, während sie doch in Wirklichkeit nur den vorgegebenen Bahnen folgten.
     
    Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben mehr Menschen einen Einblick in ihre inneren Strukturen bekommen. Einige erkannten, dass sie die Programmierungen seitens der Familie, der Schule sowie der Gesellschaft löschen und durch neue ersetzen konnten. Viele, die schon wenige Wochen nach der Geburt als ChristInnen getauft worden waren, traten aus der Kirche aus. Wer wollte, konnte stattdessen Atheist, Agnostiker, Buddhist, Hinduist, Moslem, Jude, Taoist oder was auch immer werden.
     
    Durch die immer schnellere Verbreitung von Informationen war es in den vergangenen Jahrzehnten auf einmal möglich, in allen Bereichen neue Wege einzuschlagen. Die Psychologie entwickelte sich in den letzten 100 Jahren zu einer hilfreichen Wissenschaft. Dadurch wurden immer mehr geistige Störungen, die lange Zeit unzureichend als »Gemütskrankheiten«, »Nervosität« oder »Irresein« klassifiziert worden waren, heilbar. Depressionen, Angstzustände und Traumata müssen kein lebenslanges Schicksal mehr bleiben.
     
    Bis diese umwälzenden Informationen Allgemeingut geworden sind, wird es jedoch noch etwas dauern. Die Ausbreitung von Wissen ist bestimmten Gesetzen unterworfen. Am Anfang sagen alle: unmöglich. Die Avantgarde wird stets verlacht, nicht selten

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