Lob der Torheit
einigen zu philosophisch? Gut! Ich wills ganz plump heraus sagen.
Einen König stellt man sich als einen reichen und mächtigen Herrn vor; wenn aber nichts Gutes in seiner Seele ist und er sich an nichts sättigen kann, so ist er gewiß blutarm; und wenn er sich vielen Lastern ergeben hat, so ist er ein schnöder Sklave. Also ließ es sich über alles und jedes philosophieren; wir haben aber mehrere Beispiele nicht nötig.
Wozu soll alles dieses dienen? – Man hör es! Wenn jemand sich unterstünde, den Schauspielern ihre Larven wegzunehmen, und den Zuschauern die wahren und natürlichen Gesichter zu zeigen: würde dieser Unbesonnene nicht das ganze Spiel verderben? Würde er nicht verdienen, daß man ihn als einen Rasenden mit Steinen von der Bühne wegtreibe? Indessen würde sich alles in einer neuen Gestalt gezeigt haben: das Weib als ein Mann, der Jüngling als ein Greis, der König als ein Bettler, Jupiter als ein Menschengesicht. Wenn man den Irrtum wegnimmt, so setzt man alles in Verwirrung; die Verstellung muß die Augen der Zuschauer bezaubern. Nun, was ist das ganze Leben der Sterblichen anders als eine Komödie? Jeder spielt seine Rolle, eine ganz andere Person vorstellend als er eigentlich ist, bis er von der Bühne abtreten muß; und etwann zeigt sich der nämliche Schauspieler in verschiedener Tracht: als König saß er auf dem Thron; und nachwärts tritt er im zerlumpten Sklavenkittel auf. Ja, dieses ist alles nur Schattenwerk: aber, spielt sich dann die große Komödie des Lebens auf eine andere Weise?
Ich stelle mir vor: ein wie vom Himmel gefallener Weiser trete plötzlich auf und schreie: Der, den man als einen großen Herrn halbgöttlich verehre, sei nicht einmal ein Mensch, weil er sich viehisch durch seine Lüste leiten lasse; er sei nichts als ein verachtungswürdiger Sklave, weil er sich freiwillig so vielen und so schändlichen Herren als einen Knecht dargebe. Er sieht jemanden, der über das Absterben seines Vaters weinet, und heißt ihn lachen, weil sein Vater endlich zu leben angefangen habe, da dieses gegenwärtige Leben nichts als ein Tod sei. Er begegnet einem Junker, der sich seiner edlen Abkunft rühmt, und betitelt ihn einen ehrlosen Bankert, weil er weit von dem Pfade der Tugend gewichen, der einzigen Quelle des Adels. Auf gleichen Schlag behandelt mein Weiser jeden, der ihm aufstößt. Aber was erbeutet er anders, als daß man ihn gleich einem zum Tollhause reisenden Rasenden ansieht?
Nichts ist närrischer, als eine zur Unzeit angebracht Weisheit; nichts unkluger, als eine verkehrte Klugheit. Der beträgt sich schief, der sich nicht nach der gegenwärtigen Lage der Dinge einrichtet; nicht auf den Marktpreis achtet; sich nicht des Tischgesetzes erinnert: »Tue Bescheid, oder packe dich.« Nicht will, daß das Spiel ein Spiel sei. Der Kluge hingegen denket: Da ich ein sterblicher Mensch bin, so will ich mich nicht bestreben, übermenschlich weise zu sein; ich will mich gern nach andern Leuten einrichten, und auch etwann aus Höflichkeit einen Weg mit ihnen gehen, den ich sonst für mich nicht gehen würde. Ist eben dieses nicht Narrheit? O ja, ihr weisen Männer! doch solltet ihr mir dagegen eingestehen, dieses heiße: Seine Rolle in der Welt spielen.
Übrigens – o ihr unsterbliche Götter, soll ich reden? Soll ich schweigen? Warum sollt ich es nicht frei heraus sagen, da es die pur-lautere Wahrheit ist? Vielleicht aber ist’s das beste, daß ich bei einer so wichtigen Sache die Musen von ihrem Helikon hinunterrufe, sie, die von den Dichtern oft um einer Schnakerei willen herabgeranzt werden. So stehet mir denn für eine Weile bei, ihr Töchter Jupiters, bis ichs bewiesen habe, jene glänzende Weisheit, die hochberühmte Burg der Glückseligkeit, werde nur denen aufgeschlossen, die sich ihr unter dem Schutze der Narrheit nähern.
Erstlich ist es eine ausgemachte Sache, daß alle Leidenschaften sich unter der Botmäßigkeit der Narrheit befinden; denn der Unterschied zwischen einem Narren und einem Weisen ist dieser: jener richtet sich nach den Leidenschaften, dieser nach der Vernunft. Daher schaffen die Stoiker alle Beunruhigungen, als so viele Seuchen, aus ihrem Weisen weg; und doch (sagen die Peripatetiker) vertreten diese Leidenschaften die Stelle der Pädagogen bei denen, die sich Mühe geben, in den Port der Weisheit einzulaufen; ja sie dienen bei allen Tugendpflichten zu Sporen und Peitschen, dadurch wir zum rechtschaffenen Betragen angetrieben werden. Doch wendet
Weitere Kostenlose Bücher