Lob der Torheit
Tränen vergießt; und der gutherzige Hörnerträger, daß er in bester tröstender Laune sie ihr von den Wangen wegküßt? O wie weit seliger ists, sich hier also irren, als im Taumel der Eifersucht sich selbst aufzuzehren, und ein Trauerspiel aller Orten verbreiten? Kurz, ohne mich kann keine Gesellschaft, keine Vertraulichkeit munter oder standhaft sein; unerträglich wird der Fürst dem Volke, der Knecht dem Herrn, die Magd der Frau, der Schüler dem Lehrer, der Freund dem Freunde, die Frau dem Manne, der Verkäufer dem Käufer, ein Tischgefährte dem andern, wenn sie nicht wechselweise irren, klüglich durch die Finger sehen und sich mit tollen Honigwörterchen abspeisen. Ja, meine Herren, Sie halten was ich bisher gesagt, für wichtige Dinge; aber Geduld, Sie werden noch wichtigere hören!
Kann der jemanden lieben, der sich selbst haßt? der mit Andern einträchtig sein, der sich selbst in den Haaren liegt? der jemanden Freude machen, der sich selbst zur Last und zum Überdrusse lebt? Niemand wirds behaupten, als der, welcher närrischer als die Narrheit ist. In Wahrheit, wo man mich auf die Straße hinaussperrt, wird jeder dem andern unerträglich, stinkt sich selbst an, faßt Ekel ab allem dem seinigen, hat keinen verhaßtern Feind als sich selbst. Stiefmütterlich wühlt oft die Natur in den Köpfen der Sterblichen, sonderlich den besten, so daß ihnen das Ihrige mißfällt; und das Fremde bewundern sie; dann wird alles geschändet, geht alles zu Grunde, dadurch sonst das Leben bereichert und geschmückt wird. Wozu nützt die Schönheit, das edelste Geschenk der unsterblichen Götter, wenn sie garstig befleckt wird? Wozu die Jugend, wenn des Alters gärender Gram sie angesteckt hat? Was wirst du bei dem beglücktesten Leben zu Hause und draußen mit Anständigkeit tun (und auf diese kommt hauptsächlich alles an), wenn dir nicht die sich selbst liebende Philautia, die ich billig als meine leibliche Schwester verehre, mit ihrer Geschicklichkeit beisteht? O tapfer verteidigt sie durchgehends meine Sache!
Nun, was kannst du närrischers tun, als dir selbst gefallen? dich selbst bewundern? Was schönes, holdes, einnehmendes, kannst du zu Stande bringen, wenn du mißvergnügt mit dir selbst bist? Wenn du dieses Gewürze des Lebens wegschaffst, so steht der Redner mit seinem Gewäsche frostig da; nur höhnisches Mitleiden ertrillert sich der Tonkünstler; der sich müde erarbeitende Schauspieler wird ausgepfiffen; zum Gelächter wird der Dichter samt seinen Musen; der Maler erpinselt sich Verachtung; bei seinen Lebenspillen hungert der Arzt sich zu Tode; wenn du dich schön wie Nireus zu sein dünkst, jugendlich wie Phaon, weise wie Minerva, so wird man dich für garstig halten wie Thersites war, veraltet wie Nestor, dumm wie ein Schwein. Ja, unumgänglich nötig ists, daß jeder sich schmeichle, und sich selbst mit einem Beifällchen anpreise, wenn er sich bei andern in Gunst schwingen will. Endlich, da die Glückseligkeit hauptsächlich darin besteht, daß du wirklich nichts anders sein willst, als was du bist, so hast du dich mit der Grundregel meiner Philautia bekannt zu machen, die also lautet: Niemand werde seines Loses überdrüssig, seines Witzes, seiner Abkunft, seines Vaterlandes, seiner Auferziehung. Der Irländer wünsche sich nicht ein Italiener zu sein, der Thracier ein Athenienser, der Scythe ein Bürger des gesegneten Schlaraffenlandes. Herrlicher Kunstgriff der Natur, der so verschiedene Dinge ins gleiche Gleis bringt! Wo sie bei ihrer Gabenausteilung etwas kärglich zu Werke gegangen, läßt sie den Abgang durch die Philautia ersetzen – nur den Abgang? – Ich rede wie eine wirkliche Närrin, sie teilt auf diese Weise ihr herrlichstes Geschenk mit.
Ich darf wohl sagen: ohne meinen Antrieb geschieht keine edle Tat; wo schöne Künste betrieben werden, preisen sie mich als ihre Erfinderin. Muß man sich nicht an den Krieg wenden, wenn man belobte Heldentaten in ihrem Elemente finden möchte? Nun, was kann wohl närrischer sein, als um einer Ursache willen, die man selbst nicht anzugeben weiß, sich in einen Streit einlassen, bei dem man beiderseits mehr Böses als Gutes einzuernten hat? Von dem, der da mit seiner Haut bezahlt, kräht kein Hahn nicht. Wenn die beiden Heere in Schlachtordnung gegen einander stehen, und die Hörner im frischern Tone zum Angriffe geblasen haben: wozu taugen dann jene Söhne der Weisheit, durch Nachgrübeln erschöpft, beim dünnen und kalten Geblüte kaum den
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