Lob der Torheit
Atem zu ziehen vermögend? Solcher ist man da benötigt, deren Adern vom dicken und fetten Geblüte strotzen; desto kühner, um so viel unverständiger sie sind. Oder will man sich mit Fleiß einen Demosthenes zum Soldaten wählen? Kaum kam der Feind ihm ins Gesicht, so warf er, nach dem Rate des Archilochus, herzhaft den Schild weg; unter dem Hasenpanier sah man den feigen Soldaten an dem weisen Redner.
Auf Klugheit, heißts, kommt im Kriege vieles an. O ja, an einem Feldherrn; aber auf eine kriegerische, nicht eine philosophische! Mit Schmarotzern, Hurenjägern, Straßenräubern, Meuchelmördern, Bauerklötzen, Dummköpfen, Bankerottierern und dergleichen Abschaume des Menschengeschlechtes, nicht mit bei der Nachtlampe verrauchten Philosophen, werden solche herrlichen Ding erfochten. Sokrates, der nach dem eben nicht weisen Ausspruche des Apollo einzige Weise, kann zum Gewährsmann dienen. Er unterfing sich, etwas, ich weiß nicht was, öffentlich zu betreiben; und unter dem Hohngelächter der ganzen Versammlung schlich er sich vom Rednerstuhle weg. Und doch war der Mann nicht Narrs genug, sich mit dem Titel des Weisen zu brüsten; er gab ihn dem Gotte zurück; er hielt dafür, ein Weiser solle sich in die Verwaltung des gemeinen Wesens nicht mengen; nur hätte er noch hinzusetzen sollen: jeder, der seinen Platz in der Zunft der Menschen behaupten wolle, müsse sich der Weisheit enthalten, auch den Brutus, Cassius, die Gracchen, und selbst den Cicero, welcher der römischen Republik zu einer eben so schädlichen Pest ward, als Demosthenes der atheniensischen. Gesetzt, Marcus Antonius sei ein guter Kaiser gewesen; bin ich deswegen genötigt, meinen Satz aufzugeben? gewiß nicht: eben deswegen, weil er ein Philosoph war, wird er seinen Untertanen lästig und verhaßt. Ja, gesetzt er sei für sich gut gewesen, so fügte er doch durch Hinterlassung seines Sohnes dem Reiche einen weit größern Schaden zu, als er ihm durch seine Regierung nützlich gewesen. Solche weisen Leute sind, wie in allen übrigen Dingen, also besonders im Kinderzeugen höchst unglücklich; und dieses, wie mich deucht, hat die Natur vorsichtig geordnet, damit diese Seuche der Weisheit unter den Sterblichen nicht zu viel um sich fasse. So wissen wir von dem Cicero, daß er einen aus der Art geschlagenen Sohn gehabt hat; und von den Kindern des weisen Sokrates hat man die feine Anmerkung gemacht, sie seien der Mutter ähnlicher als dem Vater; das ist, Narren gewesen.
Es würde noch alles zu ertragen sein, wenn diese Philosophen gleich zur Verwaltung der öffentlichen Geschäfte so ungeschickt wären, als der Esel zum Lautenschlagen; insofern sie nur nicht auch zur Betreibung der Angelegenheiten des gemeinen Lebens eben so schief befunden würden. Bitte einen Weisen zu Gaste; er wird durch ein düsteres Schweigen, oder durch ein lästiges Frägeln, die Freude der Gesellschaft stören. Fordere ihn zum Tanz auf; er wird so flink als ein Kamel umher trampeln. Nimm ihn zu einem öffentlichen Schauspiele mit; sein Gesicht wird die Zuschauer ihres Vergnügens berauben; der weise Cato, der seine feierliche Mine nicht ablegen will, wird genötigt werden, die Bühne zu verlassen. Er kommt in eine Gesellschaft, und alles verblaßt, als ob ein Wolf sich hätte sehen lassen. Wo es zu tun ist, um etwas zu kaufen, um einen Handel zu treffen, kurz, um etwas vorzunehmen, ohne welches man im gemeinen Leben nicht bestehen kann, da wird man diesen Weisen ehender für einen Klotz als für einen Menschen ansehen. Also kann er sich, dem Vaterlande, den Seinigen, zu nichts dienen, weil die gemeinsten Dinge, Meinungen, Einrichtungen, ihm ganz spanische Dörfer sind.
Bei den Unternehmungen der Sterblichen ist alles voll Torheit: Narren unterhalten sich mit Narren. Dem, der sich allen widersetzen will, möcht ich den Rat erteilen, in die Fußstapfen Timons zu treten, in eine Einöde zu wandern, und sich da seiner Weisheit satt zu erfreuen.
Ich lenke wieder ein. Welche Macht hat stein- und eichenharte rohe Menschen ins gesellschaftliche Leben vereint? Die Schmeichelei. Sie wird durch die Leier des Amphion und des Orpheus angedeutet. Was hat das römische Volk, da es unter sich aufs äußerste zerfallen war, wieder einträchtig gemacht? Wars eine philosophische Rede? nichts weniger: es war die lächerliche und kindische Fabel von dem Bauche und den übrigen Gliedern. Ein gleiches Wunder tat Themistokles durch die Fabel von dem Fuchsen und dem Igel. Welche Rede eines Weisen
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