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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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hätte so vieles vermocht, als jenes erdichtete Rehe des Sertorius? als die beiden Hunde jenes lacedämonischen Gesetzgebers? als die lächerliche Erdichtung von den ausgeraufenen Haaren des Pferdeschweifes? Um nicht von dem Minus zu reden, und von dem Numa, welche den närrischen Pöbel durch fabelhafte Erfindungen nach ihrem Willen lenkten: durch solche Possen läßt sich dieses große und mächtige Tier, etwas aufbinden.
    Welche Stadt hat jemals die Gesetze und Aussprüche eines Plato, Aristoteles, Sokrates, angenommen? was hat die Decier beredet, sich von freien Stücken den unterirdischen Göttern aufzuopfern? was hat den Quintus Curtius in die Grube gezogen? was anders, als die eitele Ruhmsucht, eine sanft-lockende Sirene, die von jenen Weisen so sehr verabscheut wird? was kann närrischer sein, sprechen Sie, als daß der, welcher sich nun ein Amt bewirbt, im weißen Röckchen demütig dem Pöbel schmeichelt? daß man sich die Gunst desselben durch ein Korngeschenk erkauft? dem Händeklatschen so vieler Narren nachjagt? im Zujauchzen desselben seine Wonne findet? im Triumphe sich von ihm gleich einer Bildsäule angaffen läßt? in Erz gegossen auf dem Markte steht? andre Namen und Beinamen annimmt? einem menschlichen Taugenichts göttliche Ehre erweist? mit öffentlichem Gepränge tyrannische Schandbuben in die Klasse der Götter erhebt? O gewiß, Narrheit ist dieses, zu deren verdienten Belachung ein einziger Demokritus nicht zureichend wäre! Wer leugnet es? Und doch ists die Quelle großer Heldentaten, die von Rednern bis in den Himmel erhoben werden.
    Narrheit zeugt Städte, Reiche, Obrigkeiten, Religionen, Rats- und Gerichtsversammlungen; und das menschliche Leben ist bloß ein Narrenspiel. Wenn die Rede von Künsten und Wissenschaften ist: was hat die Menschen aufgemuntert, so herrliche Dinge (wie man sie dafür auszuposaunen pflegt) zu ersinnen, und auf die Nachwelt zu bringen? war es nicht die Ruhmsucht? In so vielen durchwachten Nächten, unter so vielem Schweiße, haben sie, die Erznarren, sich, ich weiß nicht was für einen durch und durch unnützen Ruhm ausgehecket. Indessen haben Sie, meine Herren, der Narrheit bereits so viele herrliche Bequemlichkeiten des Lebens zu verdanken; und, was dabei noch weit das angenehmste ist, Sie machen sich der Narrheit Anderer zu Nutzen.
    Nachdem ich also das Lob meiner Stärke und meines Fleißes befestigt habe, wird es schicklich sein, daß ich auch meiner Klugheit das gleiche Recht widerfahren lasse. So willst du dann (ruft mir, wie mich deucht, jemand entgegen) Feuer und Wasser zusammen paaren? Auch dieses hoff ich zu Stande zu bringen, wenn man nur fortfahren wird, achtsam aufzuhorchen.
    Ists nicht Klugheit, wenn man sich die Dinge zu Nutzen macht? Nun, welches wird wohl der kluge Mann sein? der Weise? der zu schamhaft oder zu furchtsam ist, sich an eine Sache zu wagen; oder der Narr, den weder Scham, die er nicht hat, noch Gefahr, die er nicht erwägt, von irgend einer Unternehmung abschreckt? Der Weise nimmt seine Zuflucht zu verschimmelten Büchern, und füllt sich daraus den Kopf mit schalen Spitzfindigkeiten; der Narr, der sich hurtig an die Sache selbst macht, sammelt sich daraus, wenn ich mich nicht gröblich irre, echte Klugheit. Es scheint auch Homer, so blind er war, habe dieses eingesehen, da er sagt: »Bei der Tat gelangt der Narr zur Einsicht.« Wo es um Einsicht der Dinge zu tun ist, muß man zwei Steine des Anstoßens ausweichen: die Schamhaftigkeit, die den Geist benebelt; und die Furcht, welche durch Vorspiegelung der Gefahr, Untätigkeit einpfropft. Großmütig scheucht die Narrheit diese Popanzen weg. Wenige Sterbliche sehen es ein, wie bald der unverschämte Waghals sein Glück machen könne.
    Gefällt Ihnen, meine Herren, jene Klugheit besser, die in Beurteilung der Dinge besteht? Hören Sie doch einmal, welch eine seltsame Sache es um diese Klugheit derer sei, die sie in ihrer Weisheitsbude feil bieten!
    Erstlich ist bekannt, daß alle menschlichen Dinge, gleich den Silenen des Alicibades, von innen ein anderes Gesicht haben, als von außen: man sieht den Tod, und findet das Leben; man sieht das Leben, und findet den Tod; das Schöne ist häßlich, das Reiche arm, das Schändliche herrlich, das Gelehrte ungelehrt, das Starke schwach, das Edle unedel, das Fröhliche traurig, das Glückliche unglücklich, das Freundliche unfreundlich, das Heilsame schädlich; kurz, öffne den Silen, so wirst alles verkehrt finden. Rede ich aber nicht

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