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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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derselben sogar sehr hinderlich sind; wie beim Plato der scharfsichtige König Thamus, in Absicht auf die Erfindung der Buchstaben, sehr richtig bemerkt hat.
    Wissenschaften schlichen sich gleich den übrigen ansteckenden Seuchen des menschlichen Lebens in der Welt ein; sie hatten eben die Erfindung, von denen alle Schandtaten herkommen, nämlich die Dämonen, das ist, Vielwisser. Die Menschen lebten in den ersten goldenen Zeiten ohne Wissenschaften, und folgten bloß dem Naturtrieb. Wozu hätte die Grammatik dienen sollen, da man nur eine Sprache redete, und dabei keinen andern Zweck hatte, als einander zu verstehen? Unnütz waren die Redner, weil niemand den Andern vor Gerichte zog. Gesetzverständige würden müßige Leute da gewesen sein, wo man nichts von Sittenverderbnis wußte, dieser Quelle guter Gesetze. Zu fromm war man, als daß man, mit ruchloser Neugier, den Geheimnissen der Natur, dem Maße, den Bewegungen, und den Wirkungen der Gestirne, und den verborgenen Ursachen der Dinge, nachgespürt hätte; man würd es für ein strafwürdiges Verbrechen gehalten haben, wenn ein sterblicher Mensch über seine Grenze hinaus nach Weisheit gefrevelt hätte; nachzuforschen, was sich über dem Himmel hinaus befinde – o ein solcher Wahnsinn wäre damals niemanden zu Sinne gekommen!
    Nach und nach verlor sich die Reinigkeit des goldenen Zeitalters. Schadenfrohe Geister (wie gesagt) erfanden Künste, wenige noch, und von wenigen angenommen. Der Aberglaube der Chaldäer und der Griechen schwindlichter Leichtsinn, erfanden nachwärts eine Menge echte Geistesplagen; schon die Grammatik für sich wäre zureichend, den Menschen sein ganzes Leben hindurch auf der Folterbank zu martern. Unter diesen Künsten und Wissenschaften hält man die für die schätzbarsten, die mit dem gemeinen Menschenverstande, das ist, mit der Narrheit, am besten übereinstimmen. Die Theologen fressen sich vor Hunger Nägel weg; die halberfrorenen Naturforscher hauchen sich in die Finger; über Astrologen lacht man; Vernunftlehrer läßt man nach dem Winde haschen; aber vor dem Arzte sieht man alles die Segel streichen; je ungeleherter, verwegener, unbedachtsamer er ist, desto höher ist er bei Fürsten und reichen Leuten angeschrieben. Die Arzeneikunst, wie sie heut zu Tage von vielen getrieben wird, ist geschwätzige Fuchsschwänzerei.
    Nach diesen kommen die Gesetzkünstler. Vielleicht hätte ich ihnen den ersten Platz einräumen sollen. Sie betreiben, wenn man doch der ganzen Zunft der höhnischen Philosophen Glauben zustellen will (denn in den Handel möcht ich mich nicht mengen) einen Eselsberuf. Und doch richtet sich alles, großes und kleines, nach dem Gutdünken dieser Esel; ihnen fallen große Landgüter zu, alldieweil der Theolog, der alle Schränke der Gottesgelehrtheit durchstänkert hat, an harten Bohnen sich müde beißt und sich mit Wanzen und Läusen erfechten muß.
    Ja, je näher eine Kunst mit der Narrheit in Verwandtschaft steht, desto mehr hat man sich von ihr zu versprechen. Die Beglücktesten sind also die, denen es vergönnet ist, mit keiner der Wissenschaften Verkehr zu haben und bloß der Natur zu folgen, die nie auf Abwege verleitet, so lange man nicht die Schranken, die den Sterblichen gesetzt sind, überspringen will. Die Natur verabscheut jede Schminke; lustig wächst das hervor, das durch keine Kunst verdorben worden.
    Sehen Sie nicht, meine Herren, daß es um alle übrigen Tiere herrlich steht, die von Wissenschaften keinen Begriff und bloß die Natur zur Hofmeisterin haben? Was ist glücklicher, wunderbarer, als die Bienen? Bei wenigen körperlichen Sinnen erweisen sie sich als unvergleichliche Baumeister; noch kein Philosoph hat gleich ihnen eine Republik errichtet. Das Pferd, dessen Sinne etwas Gemeines mit den menschlichen haben, und das sich verleiten ließ, zum Hausgenossen des Menschen zu werden, mußte Anteil an den menschlichen Jammer nehmen: denn nicht selten, wenn es sich in dem Weltlaufe schämt, überwunden zu werden, läuft es sich bauchschlägig aus dem Atem; und wenn es sich in der Schlacht um den Triumph erkämpft, wird es durchbohrt, und muß mit samt dem Reiter in den Staub beißen. Und noch habe ich nichts von rauchen Gebissen und Zähnen gesagt, scharfen Sporen, Stallkerker, Peitschen, Banden, Halftern, schwerem Reiter, kurz, allen den jämmerlichen Folgen der Knechtschaft, denen es sich von freien Stücken überließ, weil es heldensüchtig (großen Kriegern nachahmend) dieses für das beste

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