Lob der Torheit
auslöschlichen und unauslöschlichen Charakter. Sie beteten an, aber im Geiste, und befolgten bloß die evangelische Anweisung. »Gott ist ein Geist, und die, so ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.« Es zeigt sich aber nicht, es sei ihnen damals geoffenbaret worden, man müsse das an der Wand mit einer Kohle gezeichnete Bildchen mit der nämlichen Anbetung wie Christum selbst anbeten, wenn er nur mit zween emporgestrebten Fingern gezeichnet sei, mit langem Haare, und mit Strahlen sowohl auf dem Wirbel, als auch an beiden Schläfen. Nein, niemand kann zu solchen Einsichten gelangen, der nicht sechsunddreißig Jahre lang die aristotelische und feotistische Physik und Metaphysik durchgeschwitzt hat.
Die Apostel schärfen die Lehre von der Gnade ein, nirgends aber zeigen sie den Unterschied zwischen der aus Gnade gegebenen Gnade, und der begnadigenden Gnade. Sie vermahnen zu guten Werken; unterscheiden aber nicht zwischen einem wirkenden Werke, und einem gewirkten. Sie schärfen oft die Liebe ein, unterscheiden aber nicht zwischen der eingeflößten, und der erlangten; auch zeigen sie nicht, ob diese Tugend etwas Zufälliges sei, oder etwas Wesentliches; etwas Erschaffenes, oder etwas Unerschaffenes. Sie verabscheuen die Sünde; ich will aber sterben, wenn sie es kunstmäßig hätten bestimmen können, was das sei, was wir Sünde nennen, insofern sie etwann nicht von dem Geiste der Scotisten dessen belehrt worden. Man wird mich nie dahin bringen können, daß ich glaube, Paulus (man mache von der Gelehrtheit desselben einen Schluß auf die übrigen) würde so oft wider spitzfindige Fragen, Zänkereien, Wortkriege, geredet haben, wenn er mit allen jenen feinen Dingen bekannt gewesen wäre; insonderheit, wenn man das rohe und bäurische Gezänke seiner Zeiten mit den mehr als chrysippischen Feinheiten unsrer großen Meister vergleichen will. Doch muß man auch ihre große Bescheidenheit zu rühmen nicht vergessen: wenn sie in den Schriften der Apostel etwas nachlässiges finden, das vor Meister und Gesellen nicht bestehen kann, so fahren sie nicht gleich mit der Verdammung zu, sondern legen es auf das beste aus; und dieses ist die Ehre, die sie teils dem Altertume, teils dem apostolischen Namen erweisen. Und gewiß würde es nicht billig sein, so große Dinge von ihnen zu fordern, über welche ihr Lehrer nie auch nur ein Wörtchen mit ihnen verloren hat.
Wenn sie beim Chrysostomus, Basilius, Hieronymus etwas dergleichen antreffen, so sprechen sie ohne Umschweif: dieses hat man nicht angenommen. Jene Alten haben die heidnischen Philosophen und die Juden widerlegt; Leute, denen es von Natur an Hartnäckigkeit nicht fehlte; sie taten es aber mehr durch Leben und Wunder, als durch Syllogismen; und die Leute, die bekehrt wurden, waren ehrlich-einfältige Leute, die mit Anspannung alles ihres Witzes nicht im Stande gewesen wären, ein einziges Quodlibet des Scotus zu verstehen. Nun aber, wo ist ein Heid, ein Ketzer, welcher vor so feinen Subtilitäten nicht sogleich die Waffen strecken müßte? Es sei denn, daß er, der Dummkopf, es nicht fassen konnte; oder unverschämt genug wäre, es auszuzischen; oder sich mit ähnlichen Waffen und Fallstricken versehen hätte, so daß man im Treffen keinen Vorteil vor einander haben würde; wie wenn zwei Zauberer einander beim Kopfe kriegen; oder wenn jeder ein Zauberschwert hat: da würde die Sache so wenig zu Ende kommen, als das Gewebe der klugen Frau Penelope.
Wenn die Christen (ich rede nach meiner Einsicht) weise wären, so würden sie anstatt jener Scharen von schwerfälligen Soldaten, derer man sich seit langem aber nicht mit dem besten Erfolge bedient, lärmende Scotisten, hartnäckige Occamisten, unüberwindliche Albertisten, mit dem ganzen Geschleppe der Sophisten, wider Türken und Saracenen senden; man würde (ich zweifle nicht daran) das allerlustigste Gefechte sehen, und einen noch nie gesehenen Sieg. Wo sollte sich eine so kalte Seele finden lassen, die nicht bei der Glut solcher Männer in Flammen geraten müßte? der Allerträgste würde dadurch zur Hurtigkeit angespannt werden; dem Scharfsichtigsten würde hier Staub in die Augen geworfen werden.
Mich deucht bald, ich scheine euch dieses alles nur im Scherze gesagt zu haben. Kein Wunder! es gibt ja auch unter den Theologen, den gelehrtesten, solche, denen vor dergleichen elenden (das ist ihr Wort) theologischen Spitzfindigkeiten ekelt. Es gibt derer, die es als eine Gotteslästerung
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