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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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verabscheuen und es für die höchste Ruchlosigkeit halten, wenn man von so geheimen Dingen, die ehender anzubeten als zu erklären sind, mit einem so unausgespülten Munde redet; sich darüber mit unheiligen, von Heiden ausgesonnenen Grübeleien erzankt; alles stolz erklärt; und die Majestät der göttlichen Theologie mit einem frostigen und unsaubern Wörtergemische beschmutzt.
    Indessen sind sie aufs herrlichste mit sich selbst zufrieden und klatschen sich Beifall; mit diesen allerliebsten Kindereien Tag und Nacht beschäftigt, finden sie die geringste Zeit nicht, nur einmal das Evangelium, oder die paulinischen Briefe, aufzuschlagen. Unter diesen Schulärmlichkeiten bereden sie sich, daß sie die ganze Kirche, die sonst einsinken müßte, mit ihren Syllogismenstützen gerade so aufrecht erhalten, wie der Himmel bei den Dichtern sich auf die Schultern des Atlas steuert. Wie glückselig dünken sie sich nicht auch dann zu sein, wenn sie Schriftstellen, wie ein Stück Wachs, nach Willkür bilden und ändern! Wenn diesen ihren Entscheidungen die Unterschrift einiger Scholastiker beigefügt ist, so sehen sie dieselben für ehrwürdiger an, als Solons Gesetz; sie ziehen sie den päpstlichen Decreten vor; sie, als Zensoren der Welt, wollen jedermann einen Widerruf abzwingen, der sich für etwas erklärt hat, das mit ihren mittelbaren und unmittelbaren Folgerungen nicht haarklein übereinstimmt; mit einer schnarrenden Orakelstimme sprachen sie: »Dieser Satz ist ärgerlich; dieser vergreift sich an der Ehrbarkeit; dieser riecht nach Ketzerei; dieser klingt nicht gut.« Also laßt man weder die Tauf noch das Evangelium, weder Paulus noch Petrus, weder Hieronymus noch Augustinus, ja den so sehr aristotelisierenden Thomas selbst nicht, für christlich gelten, wenn es den Herren Baccalauren nicht einleuchten will: denn ohne ihre Feinheiten läßt sich kein gesundes Urteil fällen. In der Tat, wer würde es haben fühlen können, daß der kein Christ sei, der sagen würde: »Die beiden Sätze ›du, Nachttopf, stinkst‹ und ›der Nachttopf stinkt‹ und ›im Hafen sudets‹ und ›der Hafen sudet‹ lassen sich beide sagen«, wenn er nicht bei diesen Weisen zur Schule gegangen wäre. Wer würde die Kirche von solchen Irrtumsfinsternissen befreit haben, die man nirgends auch nur einmal gelesen hätte, wenn diese Herren nicht so gut gewesen wären, sie mit angehängten großen Insignien an das Taglicht kommen zu lassen? Aber, sind sie nicht eben hierdurch für erzglückliche Geschöpfe zu erkennen?
    Alles, was sich in den unterirdischen Gegenden zuträgt, beschreiben sie so mit den kleinsten Umständen, als ob sie in selbiger Republik viele Jahre zugebracht hätten. Nach Willkür bauen sie einen neuen Himmel über den andern; und lassen es zuletzt an dem weiten und schönen Empireum nicht fehlen, damit es den beglückten Seelen an Raume nicht gebreche, sich zu ergehen, ihre festlichen Mahlzeiten zu halten, oder den Ball zu schlagen.
    Mit diesen und tausend dergleichen Schnakereien haben sie den Kopf so vollgestopft, daß ich glaube, Jupiters mit der Pallas beschwängertes Gehirne sei nicht ausgespannter gewesen, da er die Axt des Vulkans um Hilfe anrief. Kein Wunder also, daß sie in ihren öffentlichen Disputationen den Kopf mit so vielen Binden auf das sorgfältigste umschlungen haben; denn ohne dieses würde er augenblicklich zerplatzen. Auch dieses macht zuweilen selbst mich zu lachen. Erst alsdann dünken sie sich recht große Theologen zu sein, wenn sie eine garstige rotwelsche Sprache plaudern, und alles so durch einander hudeln können, daß nur ein ganz zerrütteter Kopf darinnen Verstand finden kann; denn, für einen Scharfsinnigen wär es ja ein ewiger Schimpf, wenn der Pöbel ihn verstehen könnte! Die Würde des Theologen müßte sich zu tief erniedrigen, wenn er sich unter die Gesetze der Grammatiker zwingen ließe. Wunderbare Majestät dieser Männer! sie machen einen Anspruch auf das Vorrecht, fehlerhaft zu reden. Und doch findet sich auch mancher Schuhflicker im Besitze desselben. Endlich dünken sie sich erhaben wie Götter zu sein, wenn man sie mit einer ehrfurchtsvollen Miene, als Magister grüßt; ein Titel, in welchem sie etwas so Großes zu stecken glauben, als in dem bei den Juden für unaussprechlich gehaltenen Namen von vier Buchstaben. Ein Todesverbrechen, sagen sie, würde man begehen, wenn man
Magister Noster
anderst als mit großen Buchstaben schriebe; und auch dann, wenn man das letztere Wort

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