Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
Vom Netzwerk:
Fischreichtum des Sees berichtet. Die Hirten jener Gegend hielten die Fische für die Seelen der entschwundenen Dorfbewohner und Schatzgräber. Sie weigerten sich zu fischen, weil Bo’dollos, der riesige Katzenwels, in der Tiefe lauerte.
    »… und soll keine andere Ausgrabung mehr begonnen werden, die nicht die Vermehrung der Denkwürdigkeiten, der Memorabilia, zu ihrem vornehmsten Zweck hat«, fuhr der Erlaß des Abts fort; das hieß, daß Bruder Francis im Bunker nur nach Büchern und Papieren zu suchen hatte, sich aber nicht mit interessanten Eisengeräten abgeben durfte.
    Im Augenwinkel sah Bruder Francis den Goldzahn blitzen und glitzern, während er sich mit den Schreibtischschubladen abmühte. Er versetzte dem Schreibtisch einen letzten Fußtritt und nahm ungeduldig den Schädel aufs Korn: Warum kannst du nicht zur Abwechslung etwas andres angrinsen?
    Das Grinsen blieb. Die goldgeschmückten Reste lagen mit dem Kopf zwischen einem Stein und einer rostigen Metallschachtel. Der Novize ließ den Schreibtisch sein und suchte sich schließlich einen Weg über die Trümmer, um die sterblichen Überreste einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Anscheinend war der Mensch hier auf der Stelle gestorben, niedergerissen vom Sturz der Steine und halb begraben unter den Trümmern. Nur der Schädel und die Knochen eines Beines waren nicht verschüttet worden. Der Oberschenkelknochen war zermalmt, der Schädel zerschmettert. Bruder Francis seufzte einen Segen für den Abgeschiedenen, hob danach den Schädel sehr sanft von seiner Ruhestätte und drehte ihn um, das Grinsen zur Wand. Dann fiel sein Auge auf die verrostete Schachtel.
    Die Schachtel sah aus wie eine Tasche und war selbstverständlich ein Behälter für irgendwas. Sie konnte eine Menge von Zwecken erfüllt haben, war aber durch umherfliegende Steine arg zugerichtet worden. Vorsichtig löste er sie aus dem Schutt und trug sie näher ans Feuer. Das Schloß schien aufgebrochen, der Deckel war jedoch zugerostet. Er schüttelte die Schachtel, und etwas klapperte darin hin und her. Sie schien nicht unbedingt Bücher oder Papiere zu enthalten, aber offensichtlich war sie zu öffnen und zu schließen und könnte vielleicht ein oder zwei Zettel mit Informationen für die ›Denkwürdigkeiten‹ bergen. Auf jeden Fall aber bespritzte er sie vor dem Versuch, sie aufzubrechen, in Erinnerung des Schicksals von Boedullus und anderer, mit Weihwasser. Er hämmerte mit einem Stein gegen die Scharniere, behandelte dabei aber das alte Überbleibsel mit der größten Ehrfurcht.
    Schließlich brachen die Scharniere, und der Deckel fiel zu Boden. Kleine Metalldinger hüpften aus Fächern heraus und fielen verstreut zwischen die Steine, wobei einige von ihnen unwiederbringlich in Spalten verschwanden. Aber am Grund der Schachtel erblickte er unter den Fächern – Papiere! Nach kurzem Dankgebet sammelte er alle verstreuten Gegenstände, deren er habhaft werden konnte, wieder ein, legte den Deckel lose auf und kletterte, die Schachtel fest unter einen Arm geklemmt, den Trümmerhaufen hinauf, dem Treppenhaus und einem Fleckchen Himmel entgegen.
    Nach der Dunkelheit des Bunkers blendete ihn die Sonne. Es beunruhigte ihn kaum, daß sich die Sonne schon bedenklich dem Horizont genähert hatte. Er begann sofort nach einer flachen Platte zu suchen, auf der er den Inhalt der Schachtel ausbreiten konnte, ohne Gefahr zu laufen, etwas im Sand zu verlieren.
    Minuten später hatte er auf einer gesprungenen Bodenplatte Platz genommen und fing an, die metallenen und gläsernen Leckerbissen aus den Fächern zu nehmen. Die meisten waren röhrenförmige Dinger mit Drahtbüscheln an jedem Ende. Die kannte er schon. Das kleine Museum der Abtei beherbergte einige von verschiedener Größe, Farbe und Gestalt. Einmal hatte er einen Schamanen der heidnischen Hügelleute gesehen, der eine Reihe von ihnen als rituelle Kette um den Hals trug. Die Hügelleute hielten sie für »Körperteile der Göttin« – der sagenhaften, der mythischen Machina analytica, gepriesen als die weiseste ihrer Götter. Sie meinten, daß ein Schamane, der eins davon verschlänge, Unfehlbarkeit erwerben würde. Bestimmt erwarb er sich dadurch Unwiderlegbarkeit bei seinen Landsleuten, gesetzt den Fall, er hatte keins von der giftigen Sorte verschluckt. Ähnliche Dinger im Museum waren untereinander verbunden, doch nicht als Halsband, sondern als verwickeltes und ziemlich verworrenes Labyrinth am Boden eines kleinen Metallkastens, der

Weitere Kostenlose Bücher