Lobgesang auf Leibowitz
denn er trägt die Schuld der Welt.«
»Ich glaube, ich bin nicht fähig.«
»Krächze und schnaufe nur. Aber du kannst auch knurren, und das ist gut für den Führer eines Rudels. Hör zu, keiner von uns war wirklich dafür geeignet. Aber wir haben es versucht, und wir sind versucht worden. Es nimmt dich mit bis zur Zerstörung, aber dafür bist du da. Dieser Orden hat Äbte aus Gold gehabt, Äbte von kaltem, hartem Stahl, von verwittertem Blei, und keiner von ihnen war geeignet, obwohl ein paar davon geeigneter waren. Einige waren sogar Heilige. Das Gold nützte sich ab, der Stahl wurde mürbe und brach, und das verwitterte Blei wurde vom Himmel zu Asche zerstampft. Ich hatte Glück, ich bin Quecksilber; ich zerspritze, aber ich laufe auch wieder zusammen irgendwie. Jetzt spüre ich eine Zeit der Zersplitterung kommen, Bruder, und ich denke, es wird für immer sein, diesmal. Woraus bist du gemacht, mein Sohn? Was wird da versucht werden?«
»Aus jungen Hundeschwänzen. Ich bin Fleisch, und ich habe große Furcht, Verehrungswürdiger Vater.«
»Stahl schreit, wenn er geschmiedet wird. Er stöhnt, wenn er abgeschreckt wird. Er knarrt, wenn er belastet wird. Ich glaube, sogar Stahl hat Furcht, mein Sohn. Willst du eine halbe Stunde Bedenkzeit? Einen Schluck Wasser? Einen Schluck Wind? Willst du ein bißchen herumlaufen? Wenn du seekrank wirst, dann sei so gescheit und spucke. Wenn du Angst bekommst, dann schrei. Wenn irgendwas mit dir dabei passiert, dann bete! Aber komm vor der Messe in die Kirche und sag uns, woraus man Mönche macht. Der Orden ist dabei, sich zu spalten, und der Teil von uns, der in den Weltraum geht, geht für immer. Bist du aufgerufen, sein Hirte zu sein, oder nicht? Geh nun und entscheide dich!«
»Ich vermute, es bleibt mir keine andere Wahl.«
»Sicher hast du die Wahl! Du brauchst nur zu sagen: ich fühle mich nicht dazu berufen. Dann wird jemand anders gewählt, das ist alles. Aber nun geh, beruhige dich, und später kommst du dann in die Kirche mit einem klaren Ja oder Nein. Ich geh jetzt dorthin.« Der Abt erhob sich und nickte eine Entlassung.
Die Finsternis im Hof war nahezu vollkommen. Nur ein winziger Splitter Licht kam unter der Kirchentür hervor. Das schwache Leuchten des Sternenhimmels war von einem Staubhauch überdeckt. Im Osten zeigte sich noch kein Schimmer der Morgendämmerung. Bruder Joshua marschierte schweigend dahin. Schließlich setzte er sich auf ein Gatter, das ein Beet mit Rosensträuchern umgab. Er stützte das Kinn in die Handflächen und rollte mit einer Zehe einen Kiesel hin und her. Die Gebäude der Abtei waren dunkle schlafende Schatten. Ein blasser Mond wie eine Melonenscheibe hing tief im Süden.
Chorgesang und Gebetsgemurmel drangen aus der Kirche: Excita, Domine, potentiam tuam, et veni, ut salvos – Bewege, Herr, Deine Macht und komme uns zu retten. Der Atem der Gebete würde weiter und weiter wehen, solange es Atem geben würde, Gebete zu sprechen. Auch wenn die Brüder es für zwecklos halten sollten…
Aber sie könnten nicht wissen, ob es zwecklos war. Oder doch? Wenn New Rome irgendwelche Hoffnung auf Frieden hätte, warum dann das Raumschiff? Warum, wenn sie daran glaubten, daß Gebete für den Frieden auf Erden jemals erhört würden? War nicht das Interstellarschiff ein Akt der Verzweiflung?… Retrahe me, Satanas, et discede! dachte er. Das Interstellarschiff ist ein Akt der Hoffnung! Hoffnung für den Menschen anderswo, Frieden anderswo, wenn schon nicht hier und jetzt, dann irgendwo: auf dem Planeten von Alpha Centauri vielleicht, auf Beta Hydrae oder auf einer der dahinkränkelnden Kolonien auf dem Planeten Wieheißtergleich im Skorpion. Hoffnung, nicht Nichtigkeit sendet dieses Schiff aus, oh, du übler Verführer. Es ist eine schwache und hundemüde Hoffnung, mag sein, eine Hoffnung, die sagt: Schüttle den Staub von deinen Schuhen und gehe und predige Sodom und Gomorrha. Aber es ist eine Hoffnung, sonst würde sie nicht sagen: Geh! Es ist nicht Hoffnung für die Erde, aber Hoffnung für die Seele und die Substanz des Menschen irgendwo. Unter der Bedrohung durch Luzifer, hieße das Schiff nicht senden, einen Akt des Hochmuts begehen, ähnlich wie du, du Allerschmutzigster, unsern Herrn versucht hast: ›Wenn du der Sohn Gottes bist, so stürze dich von jener Zinne. Denn Engel werden kommen, dich zu tragen.‹
Zu viel Hoffnung für die Erde hatten die Menschen dazu verführt, sie zu einem Paradies machen zu wollen, und an
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