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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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»steinerne« Statue – wahrscheinlich aus verstärktem Kunststoff – und eine viereckige Platte, auf die offenbar die Statue montiert werden sollte. Die Statue lag auf dem Rücken, in einer Halterung aus Holzlatten und einem Nest von Verpackungsmaterial. Abt Zerchi konnte nur die Füße und eine ausgestreckte Hand sehen, die durch das Packstroh stieß. Die Statue war länger als die Ladefläche des Wagens, ihre nackten Füße ragten über die hintere Ladeklappe hinaus. Jemand hatte eine rote Flagge an eine der großen Zehen gebunden. Zerchi zerbrach sich darüber den Kopf: Warum der Aufwand? Ein ganzer Lastwagen für eine Statue? Und sie werden vielleicht noch Ladungen voll Nahrungsmitteln brauchen!
    Er beobachtete die Männer, die das Schild aufstellten. Schließlich ließ einer davon sein Ende der Tafel zu Boden und kletterte auf eine Leiter, um an den oberen Halteklammern etwas in Ordnung zu bringen. Das Schild drehte sich um die eine Ecke, die auf dem Boden ruhte, und Zerchi konnte, indem er den Hals verrenkte, die Schrift auf dem Schild entziffern:
     
    ERLÖSUNGSLAGER NR. 18
    GRÜNER STERN
    KATASTROPHENTRUPPEN-PROJEKT
     
    Rasch schaute Zerchi wieder nach den Lastwagen. Das Steingut! Die Erinnerung kam ihm wieder. Er war einmal an einem Krematorium vorbeigefahren und hatte Männer gesehen, die solche Urnen von einem Lastwagen mit dem gleichen Firmenzeichen abgeladen hatten. Er drehte das Fernglas weiter, auf der Suche nach dem Wagen mit den Brandziegeln. Der Wagen war nicht mehr an seinem Platz. Schließlich fand er ihn: er parkte jetzt innerhalb der Einzäunung. Die Brandziegel wurden bei der großen roten Maschine abgeladen. Er schaute sich die Maschine genauer an. Was ihm zunächst wie ein Dampfkessel erschienen war, sah nun wie ein Ofen oder ein Schmelzofen aus. »Evenit diabolus!« keuchte der Abt, während er sich daranmachte, die Wendeltreppe hinunterzueilen. Er fand Doktor Cors in dem fahrbaren Labor unten im Hof. Der Arzt befestigte soeben mit Draht ein gelbes Ticket am Jackenaufschlag eines alten Mannes, wobei er ihm erklärte, er solle für eine Weile in ein Erholungslager gehen und auf die Pfleger hören, er werde aber bald wieder in Ordnung sein, wenn er gut auf sich aufpasse.
    Zerchi stand mit gefalteten Armen da, biß auf seinen Lippen herum und beobachtete kalt den Arzt. Cors blickte vorsichtig auf. »Ja? Was gibt’s?« Seine Augen fielen auf das Fernglas, dann betrachtete er forschend das Gesicht des Abtes. »Oh«, brummte er. »Also, ich habe nichts mit der Seite der Angelegenheit zu tun, gar nichts.«
    Der Abt schaute ihn ein paar Sekunden lang schweigend an, dann lief er aus dem Laborwagen. Er ging zu seinem Büro und ließ Bruder Patrick den höchsten Grünstern-Beamten anrufen… »Ich möchte, daß es aus unserer Nachbarschaft verschwindet!«
    »Es tut mir leid, aber die Antwort ist ein nachdrückliches Nein…«
    »Bruder Pat, ruf die Werkstätte an und laß Bruder Lufter hierher kommen.«
    »Er ist nicht in der Werkstatt, Domne.«
    »Dann sollen sie einen Tischler und einen Maler raufschicken. Irgendeiner ist gut genug.«
    Einige Minuten später erschienen zwei Mönche.
    »Ich möchte, daß ihr mir fünf leichte Tafeln macht, sofort«, befahl er ihnen. »Ich will, daß sie schöne lange Tragestangen haben. Sie müssen groß genug sein, daß man sie einen Häuserblock weit lesen kann, aber leicht genug, daß ein Mann sie stundenlang tragen kann, ohne vor Müdigkeit umzufallen. Könnt ihr das machen?«
    »Sicher, Herr. Was soll denn draufstehen?«
    Abt Zerchi schrieb es ihnen auf. »Macht’s schön groß und deutlich«, befahl er. »Es muß den Augen weh tun. Ihr könnt gehen.«
    Als sie verschwunden waren, rief er Bruder Patrick noch einmal herein. »Bruder Pat, suche mir fünf brave junge und gesunde Novizen, nach Möglichkeit mit einem Märtyrerkomplex behaftet. Sag ihnen, es könnte ihnen ergehen wie Sankt Stephanos.«
    Und mir wird es sogar noch schlimmer ergehen, dachte er, wenn New Rome von der Geschichte erfährt.
     

28
     
    Die Komplet war zu Ende gesungen, doch der Abt blieb in der Kirche. Er kniete allein im Dämmerlicht des Abends.
    Domine, mundorum omnium Factor, parsurus esto imprimis eis filiis aviantibus ad sideria caeli quorum victus difficilior…
    Er betete für Bruder Joshuas Gruppe – für die Männer, die ausgezogen waren und ein Sternenschiff genommen hatten, um in den Himmel zu steigen, in eine wüstere Ungewißheit als irgendeine, die dem Menschen auf

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