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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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wiederholen?«
    »Daß der Pilger der Selige war? Nein, nein, Magister meus!«
    »Dann versichere mir das Gegenteil!«
    »Ich glaube nicht, daß der Pilger der Selige war.«
    »Warum nicht gerade heraus: er war es nicht?«
    »Na, weil ich den seligen Leibowitz selbst nie gesehen habe, kann ich nicht sagen, ob…«
    »Genug!« befahl der Abt. »Das reicht. Von dir will ich jetzt lange, lange Zeit weder etwas hören noch sehen. Hinaus! Nur eines noch: bilde dir ja nicht ein, dieses Jahr mit den anderen zusammen die Gelübde ablegen zu können. Du bist nicht zugelassen.«
    Für Francis war das der Schlag mit dem Ende eines Holzbalkens in die Magengrube.
     

6
     
    Trotz des Verbots blieb der Pilger Hauptgegenstand der Gespräche in der Abtei. Aber mit Rücksicht auf die Überbleibsel und den Schutzbunker wurde das Verbot notwendigerweise allmählich gelockert, außer für ihren Entdecker, dem immer noch auferlegt war, sich auf kein Gespräch über sie einzulassen und besser so wenig wie möglich über den Gegenstand nachzudenken. Dennoch war es unvermeidlich, daß er ab und zu etwas erfuhr. So wußte er, daß in einer der Klosterwerkstätten Mönche über den Urkunden saßen, und zwar nicht nur über seinen, sondern auch über einigen anderen, die man in dem alten Schreibtisch gefunden hatte, bevor der Abt befohlen hatte, daß der Bunker geschlossen werden solle.
    Geschlossen! Bruder Francis war von den Neuigkeiten überrascht. Der Bunker war kaum angetastet worden. Über sein eignes Abenteuer hinaus war kein Versuch gemacht worden, tiefer in die Geheimnisse des Bunkers einzudringen. Man hatte lediglich den Schreibtisch geöffnet, an dem er sich versucht hatte, bevor er die Schachtel entdeckte. Geschlossen! Ohne versucht zu haben, herauszufinden, was hinter der inneren Tür mit der Bezeichnung LUKE ZWEI liegen könnte oder ABGEDICHTETER BEREICH zu untersuchen. Man hatte nicht einmal die Steine von den Gebeinen gehoben. Geschlossen! Der Untersuchung wurde plötzlich ohne erkennbaren Grund ein Ende gemacht.
    Da breitete sich dann ein Gerücht aus.
    »Emily hatte einen Goldzahn. Emily hatte einen Goldzahn. Emily hatte einen Goldzahn.« Es war einer jener historischen Belanglosigkeiten, die es irgendwie schaffen, wichtige Tatsachen zu überleben. Tatsachen, die sich zu merken irgend jemand hätte bemühen müssen, die aber so lange unaufgezeichnet blieben, bis ein klösterlicher Geschichtsschreiber gezwungen war zu schreiben:
    »Weder der Inhalt der ›Memorabilien‹ noch irgendeine bis jetzt wieder freigelegte archäologische Örtlichkeit teilen den Namen des Herrschers mit, der während der mittleren und späteren sechziger Jahre den Weißen Palast innehatte, wenngleich auch Fr. Barcus, nicht ohne stichhaltiges Beweismaterial vorzulegen, geltend macht, sein Name sei…«
    Und doch fand sich in den ›Denkwürdigkeiten‹ unmißverständlich aufgezeichnet, daß Emily einen Goldzahn gehabt habe.
    Der Befehl des Abtes, die Gruft sogleich wieder zu verschließen, war nicht verwunderlich. Als sich Bruder Francis erinnerte, den alten Schädel aufgehoben und gegen die Wand gekehrt zu haben, überkam ihn plötzlich Furcht vor dem Zorn des Himmels. Emily Leibowitz war zu Beginn der Feuerflut vom Antlitz der Erde verschwunden. Erst nach vielen Jahren hatte sich der Witwer von ihrem Tod überzeugt.
     
     
    Es hieß, daß Gott in der Absicht, die Menschen zu prüfen, die sich hochmütig wie zu den Zeiten Noahs gebärdeten, den Weisen jener Tage, unter ihnen auch dem seligen Leibowitz, befahl, riesige Kriegswerkzeuge zu ersinnen, so wie sie noch nie vorher auf Erden gewesen waren. Waffen von solcher Stärke, daß sie die Feuer der Hölle selbst in sich schlossen. Und Gott ließ zu, daß die Weisen die Waffen in die Hände der Fürsten gaben, daß sie zu jedem von ihnen sagten: »Nur weil die Feinde so etwas besitzen, haben wir dies für dich ersonnen, um sie wissen zu lassen, du verfügest über das nämliche, und so sich fürchten, loszuschlagen. Sieh zu, Herr, daß du sie ebenso fürchtest, wie sie dich jetzt fürchten sollen, auf daß keiner diese Schrecknis entfesseln möge, welche wir verfertigt haben.«
    Aber die Fürsten, die die Worte ihrer weisen Männer in den Wind schlugen, dachten ein jeglicher bei sich selbst: wenn ich jedoch schnell genug und heimlich losschlage, werde ich jene anderen in ihrem Schlaf vernichten, und keiner wird sich finden, wider mich anzutreten, und die Erde wird mein sein.
    So war der Aberwitz der

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