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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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würde. Obwohl er kräftig war und Klinge und Bogen gewandt genug führte, war er doch eher klein und wog nicht sehr viel, während den Gerüchten nach die Heiden fast drei Meter groß waren. Für die Wahrheit dieses Gerüchtes hätte er seine Hand nicht ins Feuer gelegt, aber er sah auch keinen Grund, es für erlogen zu halten. Außer in einer Schlacht zu sterben, vermochte er sich kaum vorzustellen, was er mit seinem Leben anfangen könnte – weniges, das der Mühe wert wäre –, wenn er es nicht dem Orden weihen könnte.
    Die Gewißheit seiner Berufung war durch die ihm vom Abt verabreichte sengende Lektion und durch den Gedanken an die Katze, die zum Ornithologen wurde, obwohl sie von Natur aus zum Vogelfresser bestimmt war, nicht zerstört, sondern nur ein wenig erschüttert worden. Dennoch, der Gedanke machte ihn so elend, daß er sich von der Versuchung überwältigen ließ. So kam es, daß am Palmsonntag Prior Cheroki, bei nur noch sechs Hungertagen bis zum Ende der Fastenzeit, von Francis (oder von dem verschrumpelten und sonnenversengten Überbleibsel des Francis, in welchem die Seele irgendwie verkapselt ausgeharrt hatte) ein kurzes Krächzen vernahm, welches vermutlich die bündigste Beichte darstellte, die Francis je gemacht und die Cheroki je vernommen hatte:
    »Den Segen, Vater. Ich habe eine Eidechse gegessen.«
    Prior Cheroki war viele Jahre hindurch Beichtiger für fastende Büßer gewesen und fand, daß die Gewohnheit ihm alles wie einem Totengräber in der Dichtung »zu einer leichten Sache gemacht« habe, so daß er mit vollkommenem Gleichmut und ohne die geringste Miene zu verziehen antwortete: »War es an einem Fasttag, und war sie künstlich zubereitet?«
     
     
    Die Karwoche würde weniger einsam als die voraufgegangenen Wochen der Fastenzeit gewesen sein, wenn die Einsiedler zu diesem Zeitpunkt nicht schon völlig gleichgültig gewesen wären. Teile der Passionsliturgie wurden nämlich außerhalb der Klostermauern abgehalten, um die Büßer auf den Schauplätzen ihrer Vigilien zu erreichen. Zweimal wurde die Eucharistie gefeiert, und am Gründonnerstag machte der Abt selbst die Runde, zusammen mit Cheroki und dreizehn Mönchen, um in jeder Einsiedelei die Fußwaschung vorzunehmen. Der Ornat von Abt Arkos war durch einen Umhang verdeckt; dem Löwen gelang es beim Niederknien beinahe, wie ein eingeschüchtertes Kätzchen auszusehen. Er wusch und küßte die Füße seiner Untertanen mit größter Zurückhaltung an Bewegung und einem Minimum an Prunk-und Prachtentfaltung, während die anderen die Antiphone anstimmten. »Mandatum novum do vobis: ut diligatis invicem…« Am Karfreitag führte eine Kreuzprozession das verhüllte Kruzifix mit sich, hielt bei jeder Einsiedlerklause an und enthüllte das Kreuz allmählich vor den Büßern. Das Tuch wurde zur Anbetung Zentimeter um Zentimeter angehoben, während die Mönche dazu die Improperien, die Klagen Christi am Kreuze, sangen:
    »Mein Volk, was habe ich dir getan oder worin habe ich dich betrübt? Antworte mir… durch rechtschaffene Kraft erhob ich dich: und du hängst mich an den Galgen des Kreuzes…«
    Dann der Karsamstag.
    Die Mönche brachten sie einen nach dem anderen zurück, verhungert und fantasierend. Francis hatte seit Aschermittwoch dreißig Pfund an Gewicht verloren und um einige Grade an Erschöpfung zugenommen. Als sie ihn in seiner Zelle auf die Füße stellten, taumelte er und fiel zu Boden, bevor er noch seine Schlafstelle erreichte. Die Brüder halfen ihm auf sein Bett, badeten und rasierten ihn, salbten seine blasenbedeckte Haut, während Francis im Fieberwahn von jemandem in einem leinenen Lendentuch lallte, ihn manchmal als Engel, manchmal als Heiligen anredete, dabei ab und zu den Namen des Leibowitz anrief und versuchte, sich zu entschuldigen.
    Seine Brüder, denen der Abt verboten hatte, über die Angelegenheit zu sprechen, tauschten nur bedeutsame Blicke untereinander aus oder nickten sich in geheimem Einverständnis zu.
    Berichte darüber drangen bis zum Abt.
    »Bring ihn her«, brummte er einen Zuträger an, sobald er erfahren hatte, daß Francis wieder laufen könne. Der Ton der Stimme machte dem Zuträger Beine.
    »Willst du bestreiten, diese Dinge gesagt zu haben?«
    »Ich erinnere mich nicht, diese Dinge gesagt zu haben, Herr Abt«, sagte der Novize, mit einem Auge nach dem Lineal des Abtes schielend. »Ich habe vielleicht fantasiert.«
    »Gut, nehmen wir an, du habest fantasiert – würdest du es jetzt

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