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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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vergingen gemächlich, furchten die Gesichter der Jungen mit Runzeln und ließen ihre Schläfen ergrauen. Die Arbeit im Kloster ging unablässig weiter; in täglichem Gottesdienst bestürmten die immer wiederholten Hymnen den Himmel; täglich wurde die Welt vom Kloster mit einem dünnen Rinnsal abgeschriebener und wiederabgeschriebener Handschriften versorgt. Gelegentlich wurden Geistliche und Schreiber an Bischöfe, kirchliche Gerichte oder an die wenigen weltlichen Mächte ausgeliehen, die sie brauchen konnten. Bruder Jeris war ganz erpicht darauf, eine Druckerpresse zu bauen, aber Arkos stemmte sich gegen den Plan, sobald er nur davon hörte. Es gab weder genügend Papier, noch geeignete Farbe dafür, noch bestand in einer Welt, die selbstzufrieden der Unbildung frönte, überhaupt das Verlangen nach wohlfeilen Büchern. Die Kopierstube blieb bei Federkiel und Tintenfaß.
    Zum Fest der Fünf Heiligen Narren langte aus dem Vatikan ein Bote mit guten Nachrichten für den Orden an. Monsignore Flaught hatte alle Einwendungen fallenlassen und tat seitdem Buße vor einem Bild des seligen Leibowitz. Monsignore Aguerras Prozeß war gewonnen. Der Papst hatte befohlen, einen Erlaß herauszugeben, daß die Heiligsprechung befürwortet sei. Der Zeitpunkt der offiziellen Bekanntmachung wurde auf das kommende Heilige Jahr festgesetzt und sollte mit der Einberufung eines Konzils zusammentreffen, das den Zweck haben sollte, eine sorgsame Neuformulierung jenes Dogmas zu beraten, das sich mit der Begrenzung von Lehre und Wissenschaft auf die Gebiete des Glaubens und der Sittenlehre befaßte. Diese Frage war im Lauf der Geschichte oft entschieden worden, aber sie schien sich in neuer Gestalt jedes Jahrhundert wieder zu erheben, in jenen düsteren Epochen vor allem, in denen menschliches Wissen von Wind, Regen und Sternen eigentlich nur auf ahnender Vermutung beruhte. Während der Sitzungsperiode des Konzils würde der Gründer des Albertinischen Ordens in den Heiligenkalender aufgenommen werden.
    Der Ankündigung folgten Tage der Freude in der Abtei. Dom Arkos, jetzt altersschwach und der Greisenhaftigkeit nahe, ließ Bruder Francis zu sich rufen und flüsterte mit pfeifender Stimme: »Seine Heiligkeit erwartet uns zur Heiligsprechung in New Rome. Bereite dich zur Abreise vor.«
    »Ich, Herr?«
    »Du allein. Bruder Apotheker hat mir untersagt zu reisen, und es wäre nicht gut, wenn der Vater Prior auf Reisen ginge, während ich krank bin.«
    »Fall mir jetzt bitte nicht wieder in Ohnmacht«, fügte der Abt mürrisch hinzu. »Man erweist dir wahrscheinlich auf Grund der Tatsache, daß der Gerichtshof das Todesdatum der Emily Leibowitz endgültig gesichert anerkannte, mehr Ehre als du verdienst. Wie dem auch sei, Seine Heiligkeit hat dich eingeladen. Ich schlage vor, du dankst Gott und läßt Ehre Ehre sein.«
    Bruder Francis wankte: »Seine Heiligkeit…?«
    »Ja. Wir wollen dem Vatikan nun das Original der Blaupause des Leibowitz senden. Was meinst du dazu, deine illuminierte Handschrift auch mitzunehmen, als persönliches Geschenk für den Heiligen Vater?«
    Francis machte: »Oh…«
    Der Abt brachte ihn wieder zu sich, nannte ihn einen braven Simpel und schickte ihn fort, sein Bündel zu schnüren.
     

10
     
    Die Reise nach New Rome würde mindestens drei Monate erfordern, wobei die Zeit bis zu einem gewissen Grad von der Wegstrecke abhing, die Francis zurücklegen konnte, bis ihm die unvermeidliche Räuberbande seinen Esel wegnehmen würde. Er würde allein und unbewaffnet reisen, nur sein Bündel und die Bettlerschale zusammen mit der Reliquie und ihrem illuminierten Ebenbild bei sich tragen. Er betete, daß unwissende Räuber mit letzterem nichts möchten anzufangen wissen; denn unter den Wegelagerern gab es tatsächlich manchmal gutmütige Diebe, die sich nur nahmen, was für sie von Wert war, die ihrem Opfer gestatteten, Leben, Leib und persönliche Gegenstände zu behalten. Andere waren weniger zuvorkommend.
    Mit Bedacht trug Bruder Francis eine schwarze Augenbinde über seinem rechten Auge. Die Bauern waren ein abergläubischer Haufen und konnten sogar schon durch eine Andeutung des bösen Blicks in die Flucht geschlagen werden. So gewappnet und gerüstet machte er sich auf den Weg, der Aufforderung des Sacerdos Magnus, jenes Heiligsten Vaters und Herrschers, Leo Pappas XXI. Folge zu leisten.
    Fast zwei Monate nach seinem Aufbruch von der Abtei begegnete der Mönch seinem Räuber auf einem Pfad, der durch dichtbewaldetes

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