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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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jetzt werden wir die Wahrheit aus dir hervorlocken.« Ein einfacher, kleiner und offner operativer Eingriff wäre angemessen, schien sein Ton durchblicken zu lassen, lediglich eine geringfügige Amputation würde vonnöten sein.
    »Ist dir bekannt, daß Urkunden künstlich älter gemacht werden können?« begehrte er zu wissen.
    Bruder Francis hatte keine Ahnung.
    »Ist dir bewußt, daß der Name Emily in den Papieren, die du gefunden hast, nicht auftaucht?«
    »Oh, aber da sind doch – «, er schwieg, unsicher geworden.
    »Der Name em stand da, oder? Was ein Diminutiv für Emily sein könnte.«
    »Ich glaube, Ihr habt recht, Herr.«
    »Aber es könnte genausogut ein Diminutiv für Emma sein, wie? Und der Name Emma findet sich tatsächlich in der Schachtel!«
    Francis schwieg.
    »Nun?«
    »Wie war die Frage, Herr?«
    »Schon gut. Ich dachte nur, ich sollte dir sagen, das Beweismaterial spricht dafür, daß EM für Emma steht und daß Emma kein Diminutiv für Emily war. Was meinst du dazu?«
    »Ich hatte mir bis jetzt noch keine Meinung zu dieser Sache gebildet, Herr, aber…«
    »Aber was?«
    »Sind Mann und Frau nicht oft gedankenlos, was die Namen betrifft, mit denen sie sich rufen?«
    »WILLST DU MIR ETWA VORLAUT WERDEN?«
    »Nein, Herr.«
    »Jetzt heraus mit der Wahrheit! Wie kam es, daß du diesen Bunker entdeckt hast, und wie verhält es sich mit diesem närrischen Gewäsch, über eine Erscheinung?«
    Bruder Francis versuchte zu erklären. Der Advocatus Diaboli unterbrach ihn ab und zu durch Schnauben und bissige Einwürfe; als er geendet hatte, stocherte der Monsignore so lange mit aller Gewalt der Semantik in der Erzählung herum, bis sich Francis selbst fragte, ob er den alten Mann wirklich gesehen oder sich den Vorfall nur eingebildet hatte.
    Die Art, in der das Kreuzverhör geführt wurde, war erbarmungslos, aber Francis fand dies Erlebnis weniger schrecklich, als eine Befragung durch den Abt. Der Advocatus Diaboli konnte nichts Schlimmeres tun, als ihm nur dieses eine Mal Glied um Glied auszureißen. Der Schmerz wurde dem Amputierten erträglich, weil er wußte, daß die Operation bald vorüber sein würde. Im Angesicht des Abtes war sich Francis jedoch immer bewußt, daß ein Schnitzer wieder und wieder bestraft werden würde, da Arkos sein Vorsteher auf Lebenszeit, der Inquisitor seiner Seele auf Dauer war.
    Und nachdem Monsignore Flaught die Reaktion Bruder Francis’ auf den einleitenden heftigen Angriff wahrgenommen hatte, schien er die Geschichte des Mönches viel zu jämmerlich und einfältig zu finden, als daß er einen Generalangriff für gerechtfertigt angesehen hätte.
    »Also, Bruder, wenn das alles ist und du bei der Geschichte bleibst, glaube ich, daß wir uns überhaupt nicht mit dir befassen werden. Selbst wenn sie wahr ist – was ich für ausgeschlossen halte –, wäre sie ebenso unerheblich wie albern. Siehst du das ein?«
    »Das habe ich mir immer schon gedacht, Herr«, seufzte Bruder Francis, der jahrelang versucht hatte, dem Pilger die Bedeutung zu nehmen, die andere ihm zugemessen hatten.
    »Nun, es ist höchste Zeit, daß du das sagst«, fuhr ihn Flaught an.
    »Ich habe immer gesagt, ich glaubte, er sei vermutlich bloß ein alter Mann.«
    Monsignore Flaught bedeckte mit der Hand die Augen und seufzte schwer. Seine Erfahrungen mit unzuverlässigen Zeugen hielten ihn davon ab, noch etwas zu sagen.
    Vor seiner Abreise von der Abtei stattete der Advocatus Diaboli wie vor ihm der Advocatus Dei der Schreiberschule einen Besuch ab und bat, die illuminierte Gedenkhandschrift der Leibowitzblaupause (»dieser unverständlichen Schauerlichkeit« – wie Flaught sie nannte) sehen zu dürfen. Diesmal zitterte die Hand des Mönches nicht vor freudiger Erregung, sondern vor Angst, daß er wieder einmal gezwungen werden könnte, sein Vorhaben beiseite zu legen. Flaught starrte schweigend auf die Lammhaut. Er schluckte dreimal. Schließlich zwang er sich zu einem Nicken. »Du hast eine sehr lebhafte Vorstellungskraft«, sagte er anerkennend, »aber das war uns allen ja schon bekannt, nicht wahr?« Er schwieg. »Wie lange arbeitest du jetzt schon daran?«
    »Mit Unterbrechungen sechs Jahre, Herr.«
    »Jaja. Nun, es sieht so aus, als müßtest du wenigstens noch einmal so viele Jahre daran wenden.«
    Monsignore Flaughts Hörner wurden augenblicklich um einige Zentimeter kürzer, und seine Fangzähne lösten sich vollends in Nichts auf. Denselben Abend reiste er nach New Rome ab.
    Die Jahre

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