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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Altertümer. Offenbar war der Frau – es war übrigens eine Frau, deren Überreste du gefunden hast – der Zutritt zur äußeren Kammer gestattet worden, aber die innere Kammer war schon belegt. Vermutlich würde sie in gewissem Umfang Schutz gewährt haben, wenn nicht eine einfallende Wand den Einsturz herbeigeführt hätte. Die armen Seelen da drin waren in einer Falle gefangen, von den Steinen, die vor die Tür gestürzt waren. Der Himmel allein mag wissen, warum man die Tür nicht so entworfen hatte, daß sie nach innen aufging.«
    »War die Frau im Vorraum Emily Leibowitz?«
    Aguerra lächelte. »Ich weiß noch nicht, ob wir es beweisen können. Ich glaube, daß sie es war, ja, ich glaube es – aber vielleicht ist der Wunsch da der Vater des Gedankens. Wir werden sehen, was wir noch aufdecken können, wir werden sehen. Die andere Seite hat einen Beweis auf Lager. Ich möchte keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
    Trotz seiner Enttäuschung über den Bericht vom Zusammentreffen mit dem Pilger blieb Aguerra Francis gegenüber sehr freundlich. Er verbrachte zehn Tage an der archäologischen Ausgrabungsstelle, bevor er nach New Rome zurückkehrte. Er ließ zwei seiner Begleiter zurück, um weitere Ausgrabungen zu überwachen. Am Tag seiner Abreise besuchte er Francis in der Schreiberschule.
    »Man erzählt mir, daß du an einer Handschrift gearbeitet hast, die das Andenken der Relikte, die du gefunden hast, feiern soll«, sagte der Prozeßführer. »Auf Grund der Beschreibungen, die ich hörte, glaube ich, daß ich sie sehr gern gesehen hätte.«
    Der Mönch wandte ein, daß sie wirklich unbedeutend sei; aber er ging sofort, sie zu holen. Er war so freudig erregt, daß seine Hände zitterten, als er die Lammhaut auspackte. Voll Freude bemerkte er, daß Bruder Jeris mit gereiztem Stirnrunzeln zuschaute.
    Der Monsignore war lange in Staunen versunken. »Herrlich!« platzte es schließlich aus ihm heraus. »Welch wundervolle Farben! Es ist großartig, es ist prächtig. Arbeite weiter daran, Bruder, vollende es!«
    Bruder Francis sah auf zu Bruder Jeris und lächelte ihn fragend an.
    Der Meister der Kopierstube drehte sich rasch weg. Sein Nacken lief rot an. Am nächsten Tag packte Francis Blattgold, Federkiele, Farben aus und kehrte zur Arbeit an dem illuminierten Diagramm zurück.
     

9
     
    Wenige Monate nach der Abreise Monsignore Aguerras traf eine zweite Eselskarawane von New Rome kommend in der Abtei ein, mit vielen Geistlichen und in Begleitung von Kriegsknechten zur Verteidigung gegen Straßenräuber, entmenschte Mutanten und sagenhafte Drachen. Der Zug wurde diesesmal von einem Monsignore mit kleinen Hörnern und spitzen Fangzähnen angeführt, der erklärte, daß er mit der Aufgabe betraut sei, gegen die Kanonisation des seligen Leibowitz Einspruch einzulegen. Er sei gekommen, gewisse unglaubwürdige und überspannte Gerüchte zu prüfen und auch den Verantwortlichen auf die Schliche zu kommen, wie er durchblicken ließ; Gerüchte, die aus der Abtei herausgedrungen seien und beklagenswerterweise selbst vor den Pforten New Romes nicht haltgemacht hätten. Er sagte ganz offen, daß er romantischen Unsinn nicht dulden würde, wie das ein gewisser früherer Besucher womöglich getan hatte.
    Der Abt begrüßte ihn höflich, bedauerte den Umstand, daß der Gästetrakt vor kurzem erst mit Pockenkranken belegt gewesen sei, und bot ihm unbequemen Unterschlupf in einer Zelle, die nach Süden ging. Der Monsignore wurde von seiner eigenen Begleitung bedient und aß Maisbrei mit Kräutern zusammen mit den Mönchen im Refektorium, da Wachteln und Chaparralhühner dieses Jahr, wie die Jäger berichteten, unerklärlicherweise recht selten wären.
    Diesmal sah der Abt keine Notwendigkeit, Francis vor einem zu freizügigen Schweifen seiner Einbildungskraft zu warnen. Er mochte es ruhig versuchen, wenn er den Mut dazu hätte. Es bestand kaum Gefahr, daß der Advocatus Diaboli selbst der Wahrheit sofort Glauben schenken würde, ohne vorher seine Finger nicht meisterlich in ihre wunden Stellen gestochen und gestoßen zu haben.
    »Ich höre, daß du zu Ohnmachtsanfällen neigst«, sagte Monsignore Flaught, als er mit Francis allein war und ihn mit einem Starren bedacht hatte, das Francis nur als feindselig auffassen konnte. »Sag mir, gibt es in deiner Familie Fälle von Geisteskrankheiten? Epilepsie? Oder Anzeichen von Nervenmutationen?«
    »Keine, Eminenz.«
    »Ich bin nicht ›Eminenz‹«, fuhr ihn der Priester an. »Und

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