Lobgesang auf Leibowitz
blieben, aber der Landung widerstrebten, blieb auch der Wanderer ruhig sitzen. In diesen Hügeln gab es Pumas. Hinter den Hügeln gab es bösartigere Wesen als Pumas, und manchmal führten sie ihre Streifzüge weit umher.
Der Wanderer saß wartend. Schließlich ließen sich die Geier zwischen die Bäume herab. Der Wanderer wartete noch fünf Minuten. Endlich stand er auf und humpelte auf das Waldstück zu, sein Gewicht auf das brauchbare Bein und einen Stab verteilend.
Nach einiger Zeit betrat er das waldige Gelände. Die Geier waren gierig über den Leichnam eines Menschen hergefallen. Der Wanderer scheuchte die Vögel mit seinem Knüttel auf und schaute auf die Überreste. Wichtige Teile fehlten schon. Ein Pfeil hatte den Schädel durchbohrt, war durch den Nacken wieder ausgetreten. Der Alte blickte unruhig in das Unterholz. Niemand war zu sehen, aber neben dem Pfad fanden sich eine Menge Fußstapfen. Es war nicht ratsam zu bleiben.
Ratsam oder nicht, es mußte getan werden. Der alte Wanderer machte eine Stelle ausfindig, wo der Boden weich genug zum Graben mit Stock und Händen war. Während er grub, kreisten die Geier wie toll niedrig über den Baumwipfeln. Manchmal stießen sie nieder, flatterten dann jedoch wieder hinauf in den Himmel. Eine, dann zwei Stunden lang schossen sie heißhungrig über dem Waldrand hin und her.
Schließlich landete ein Vogel. Empört hüpfte er auf einem Haufen frisch aufgeworfener Erde herum. An einem Ende lag ein Felsen als Grabstein. Enttäuscht flog der Vogel wieder auf. Der Schwarm der düsteren Aasfresser verließ die Stelle, schwebte getragen von steigenden Luftströmungen hoch hinauf und beäugte voll Hunger das Land.
Hinter dem Tal der Mißgeburten fand sich ein toter Eber. Lüstern betrachteten ihn die Geier und schwebten zum Festmahl nieder. Auf fernem Gebirgssattel leckte sich später ein Puma die Tatzen und ließ von seiner Beute. Die Geier waren anscheinend dankbar, sein Mahl beenden zu können.
Die Aasfresser legten ihre Eier zur Brutzeit und fütterten zärtlich ihren Nachwuchs mit toten Schlangen und Stücken eines wilden Hundes.
Die neue Generation wurde kräftig, segelte auf schwarzen Flügeln hoch und weit, wartete darauf, daß ihr die fruchtbare Erde reichlich Aas gewähre. Manchmal bestand das Mahl nur aus einer Kröte. Einmal war es ein Bote aus New Rome.
Ihr Flug führte sie über die Ebenen des Mittelwestens. Sie schwelgten in einer Menge feiner Sachen, die von den Nomaden auf ihren Reiterzügen nach Süden im Land liegengelassen wurden.
Die Aasfresser legten ihre Eier zur Brutzeit und fütterten zärtlich ihren Nachwuchs. Jahrhunderte hindurch hatte die Erde sie reichlich ernährt. Sie würde sie auch die nächsten Jahrhunderte nähren…
Eine Zeitlang gab es in der Gegend des Red River reiche Beute. Aber dann stieg aus dem Gemetzel ein Stadtstaat empor. Die Geier waren entstehenden Stadtstaaten gar nicht zugetan, obwohl sie einer möglichen Eroberung mit Freuden entgegensahen. Sie begannen Texarkana zu meiden und schweiften weit nach Westen über die Ebenen. Nach der Weise aller lebenden Geschöpfe füllten sie wieder und wieder die Erde mit ihrer Art.
Schließlich schrieb man das Jahr Unseres Herrn 3174.
Man sprach von Krieg.
FIAT LUX
12
Marcus Apollo war sich in dem Augenblick sicher, daß ein Krieg unmittelbar bevorstand, als er zufällig hörte, wie Hannegans dritte Frau einer Dienerin erzählte, ihr Günstling am Hofe sei von einer Mission zu den Zelten des Wilden Bären und seines Stammes mit heiler Haut zurückgekehrt. Die Tatsache, daß er lebendig aus dem Lager der Nomaden zurückgekehrt war, bedeutete, daß Krieg in der Luft lag. Der Auftrag des Sendboten war klar und deutlich gewesen, den Stämmen der Ebenen mitzuteilen, daß die zivilisierten Staaten dem Abkommen der Heiligen Geißel über strittige Länder beigetreten waren und von jetzt an für weitere Raubzüge unerbittliche Vergeltung an Nomaden und Räuberbanden üben würden. Kein Mensch konnte dem Wilden Bären solche Nachricht überbringen und ungeschoren davonkommen. Daraus schloß Apollo, daß das Ultimatum gar nicht überreicht worden war und daß der Bote Hannegans in der Ebene insgeheim ein anderes Ziel verfolgen sollte. Das Ziel war aber zu eindeutig.
Apollo bahnte sich sanft seinen Weg durch die kleine Schar der Gäste. Seine scharfen Augen machten Bruder Claret ausfindig und versuchten, seinen Blick auf sich zu ziehen. Der hochgewachsene
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