Lobgesang auf Leibowitz
Apollo im strengen Schwarz der Soutane, dessen Rang nur durch ein dunkles Glühen von Farbe an der Taille bezeichnet wurde, stach kräftig gegen den Wirbel der Regenbogenfarben der anderen im Bankettsaal ab. So dauerte es nicht lange, bis er die Aufmerksamkeit seines Sekretärs auf sich ziehen und ihn zur Tafel mit Erfrischungen hinüberwinken konnte. Die Tafel war schon bis auf eine unordentliche Ansammlung von Essensbrocken, verschmierten Gläsern und einigen gebackenen, aber verkocht aussehenden jungen Tauben geplündert. Apollo zog die Schöpfkelle durch den Bodensatz der Bowle, betrachtete eine verendete Küchenschabe, die in den Würzkräutern trieb, und reichte seinem sich nähernden Sekretär, Bruder Claret, nachdenklich das erste Glas. – »Danke, Herr«, sagte Claret. Die Küchenschabe sah er nicht. »Ihr wolltet mich sprechen?«
»Sobald der Empfang vorüber ist. In meiner Unterkunft. Sarkal ist heil zurückgekommen.«
»Oh!«
»Das unheilverkündendste ›Oh‹, das ich je vernommen habe. Ich sehe, du erkennst, von welch enormer Tragweite das ist.«
»Aber ja doch, Herr! Das bedeutet, daß das Abkommen von Hannegan in betrügerischer Absicht angenommen wurde und daß er es benutzen will, um gegen…«
»Pst! Später!« Apollo machte mit den Augen ein Zeichen, daß sich ein Zuhörer nähere. Der Sekretär drehte sich, um sein Glas wieder aus der Bowlenschale zu füllen. Seine Aufmerksamkeit wurde plötzlich völlig von der Bowle gefesselt, und er schaute nicht auf die schlanke Gestalt in Seidenmoire, die vom Eingang her auf sie zuschritt. Apollo lächelte höflich und verbeugte sich vor dem Mann. Der Handschlag war kurz und merklich zurückhaltend.
»Nun, Thon Taddeo«, sagte der Priester, »Eure Anwesenheit überrascht mich. Ich dachte immer, Ihr miedet geflissentlich derartige Lustbarkeiten. Was mag diese hier wohl so besonderes an sich haben, daß sie gar einen so bedeutenden Gelehrten anzieht?« In gespielter Verwirrung zog er die Augenbrauen hoch.
»Selbstverständlich seid Ihr es, der mich anzieht«, sagte der neue Gast mit gleich spöttischer Stimme, »und der einzige Grund für mein Kommen.«
»Ich?« Er heuchelte Überraschung, aber die Behauptung mochte stimmen. Der Hochzeitsempfang einer Halbschwester war nicht von der Art, die einen Thon Taddeo veranlassen könnte, sich in steifen Staat zu werfen und die klösterlich abgeschlossenen Hallen seines Kollegiums zu verlassen.
»Also wirklich, ich habe Euch schon den ganzen Tag lang gesucht. Man sagte mir, daß Ihr hier seid. Sonst…« Er sah sich im Bankettsaal um und schnaubte ärgerlich.
Das Schnauben löste den Blick Bruder Clarets von was immer ihn an die Bowle bannte, und er drehte sich zur Verbeugung dem Thon zu. »Möchtet Ihr etwas Bowle, Thon Taddeo?« fragte er und hielt ihm ein volles Glas entgegen.
Mit einem Nicken nahm der Gelehrte es an und trank es aus. »Ich wollte von Euch ein bißchen mehr über die Leibowitzschriftstücke wissen, über die wir uns unterhalten haben«, sagte er zu Marcus Apollo. »Ich erhielt einen Brief aus der Abtei von einem Burschen namens Kornhoer. Er versicherte mir, man besitze Schriftstücke, die aus den letzten Jahren der europäisch-amerikanischen Hochkultur herstammen.«
Wenn auch Marcus Apollo von der Tatsache verwirrt wurde, daß er selbst dem Gelehrten das gleiche schon vor einigen Monaten versichert hatte, so ließ doch seine Miene nichts davon erkennen. »Ja«, sprach er, »wie man mir sagte, sind sie ganz echt.«
»Wenn dem so wäre, dann kommt mir sehr rätselhaft vor, wieso niemand davon gehört – schon gut! Kornhoer führt eine Anzahl von Schriftstücken und Urkunden auf, die man dort besitzen will, und beschreibt sie. Sollten sie überhaupt vorhanden sein, so muß ich sie sehen.«
»Ach?«
»Ja. Sollte es nichts als ein Schabernack sein, so gehört er aufgedeckt. Wenn nicht, so dürfte der Inhalt der Schriftstücke wohl von unschätzbarem Wert sein.«
Der Monsignore legte die Stirn in Falten. »Ich versichere Euch, daß es sich nicht um einen Schabernack handelt«, sagte er kurz angebunden.
»Der Brief enthielt die Einladung, die Abtei zu besuchen und die Urkunden anzusehen. Offenbar kennt man mich dort.«
»Nicht unbedingt«, sagte Apollo. Die Gelegenheit konnte er nicht auslassen. »Sie sind nicht so heikel damit, wer ihre Bücher liest, solange er sich nur die Hände wäscht und ihr Eigentum nicht verschandelt.«
Der Gelehrte schoß einen wütenden Blick. Die
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