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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Fenster beobachten könnt, und die Menschen, wie sie uns die Geschichtsschreiber glauben machen wollen, daß sie einst gewesen seien. Dem kann ich nicht zustimmen. Wie kann sich eine so große und vernünftige Kultur selbst so vollkommen vernichtet haben?«
    »Vielleicht so«, sagte Apollo, »daß sie nur im Materiellen groß, im Materiellen vernünftig war, und sonst nicht.« Er ging ein Talglicht anzünden, denn die Dämmerung ging jetzt rasch in völlige Dunkelheit über. Er schlug den Feuerstein gegen den Stahl, bis der Funke sprühte, dann blies er sanft den Zunder an.
    »Schon möglich«, sagte Thon Taddeo, »aber ich bezweifle es.«
    »Verwerft Ihr dann alle Geschichten als Sage?« Eine Flamme schoß aus den Funken empor.
    »Nicht ›verwerfen‹. Aber man muß sie in Zweifel ziehen. Wer verfaßte denn Eure Geschichte?«
    »Die Mönchsorden, selbstverständlich. Während der finstersten Jahrhunderte gab es niemanden sonst, der sie verfaßt hätte.« Er brachte die Flamme zum Docht.
    »Da haben wir’s! Denn zur Zeit der Gegenpäpste, wie viele schismatische Orden haben da nicht ihre eigene Fassung der Dinge erdichtet und ihre Fassungen als das Werk älterer Zeiten ausgegeben? Man weiß nichts, man kann wirklich nichts wissen! Daß hier auf diesem Kontinent eine fortgeschrittenere Kultur als unsere bestand, das kann nicht geleugnet werden. Ihr könnt auf die Trümmer und auf das verrostete Metall sehen, und dann wißt Ihr es. Ihr könnt einen Streifen Flugsand aufgraben und darunter ihre geborstenen Landstraßen finden. Aber wo ist der Beweis für die Sorte Maschinen, die man zu jener Zeit hatte, wie uns die Geschichtsschreiber berichten? Wo sind die Überbleibsel der sich selbst bewegenden Wagen oder der Flugmaschinen?«
    »Zu Pflugscharen und Hacken geschlagen.«
    »Wenn sie existiert haben.«
    »Wenn Ihr es bezweifelt, warum macht Ihr Euch dann Gedanken über die Leibowitzschriftstücke?«
    »Weil bezweifeln nicht leugnen heißt. Der Zweifel ist ein mächtiger Helfershelfer, und man sollte ihn auf die Geschichte loslassen.«
    Der Nuntius lächelte gezwungen: »Und was, gelehrter Thon, kann ich dabei für Euch tun?«
    Der Gelehrte beugte sich eifrig vor: »Schreibt dem Abt dieses Klosters. Versichert ihm, daß die Dokumente mit der allergrößten Sorgfalt behandelt würden und dann zurückgeschickt werden, wenn wir sie auf ihre Echtheit überprüft und ihren Inhalt studiert haben.«
    »Welche Garantie wollt Ihr, daß ich ihm gebe? Eure oder meine?«
    »Hannegans, Eure wie auch meine.«
    »Ich kann ihm nur Eure und Hannegans geben. Ich verfüge über keine eigenen Truppen.«
    Der Gelehrte wurde rot.
    »Sagt mir«, fügte der Nuntius rasch hinzu, »warum – abgesehen von den Räubern – besteht Ihr darauf, sie hier zu sehen, anstatt zur Abtei zu reisen?«
    »Der triftigste Grund, den Ihr dem Abt geben könnt, ist der, daß, wenn auch die Urkunden echt sind, eine Bestätigung keine allzu große Bedeutung für andere weltliche Gelehrte hätte, falls wir die Urkunden in der Abtei untersuchen müßten.«
    »Ihr glaubt, Eure Kollegen könnten annehmen, die Mönche hätten Euch irgendwas vorgemacht?«
    »Hm ja, diesen Schluß dürfte man ziehen. Aber wichtig ist auch, daß sie, wenn man sie hierher brächte, von jedem im Kollegium untersucht werden könnten, der befähigt ist, eine Meinung darüber abzugeben. Und jeder Thon, der aus anderen Fürstentümern hier zu Besuch weilt, könnte einen Blick auf sie werfen. Dagegen können wir nicht das ganze Kollegium sechs Monate lang in die südwestliche Wüste verlegen.«
    »Das sehe ich ein.«
    »Werdet Ihr der Abtei das Gesuch übermitteln?«
    »Ja.«
    Thon Taddeo zeigte sich überrascht.
    »Doch wird es Euer Gesuch sein, nicht meins. Und es ist nicht mehr so billig, Euch zu sagen, daß ich nicht glaube, daß Dom Paulo, der Abt, ja sagen wird.«
    Der Thon schien auf jeden Fall zufrieden. Als er gegangen war, rief der Nuntius seinen Sekretär zu sich.
    »Du reist morgen nach New Rome«, befahl er ihm.
    »Über die Abtei des Leibowitz?«
    »Auf dem Rückweg. Der Bericht an New Rome ist dringend.«
    »Ja, Herr.«
    »In der Abtei sage Dom Paulo, daß die Königin von Saba von Salomon erwartet, er solle zu ihr kommen. Mit Geschenken beladen. Dann hältst du dir besser die Ohren zu. Wenn er aufgehört hat, in die Luft zu gehen, komm so schnell wie möglich zurück, damit ich Thon Taddeo nein sagen kann.«
     

13
     
    Die Zeit verrinnt langsam in der Wüste, und kaum eine

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