Lobgesang auf Leibowitz
Gefälligkeit Hannegans II., dessen feister Leib jetzt gerade um mich herum schwankt, während ich schreibe, über diese Zeilen brummend und finstere Blicke auf sie werfend. Zeilen, die Seine Herrlichkeit mir auftrugen zu schreiben, und in welchen Seine Herrlichkeit von mir erwartet, daß ich seinen Vetter, den Thon, preise, damit Du ihn entsprechender Ehren teilhaftig werden läßt. Sintemalen aber der Schreiber Seiner Herrlichkeit mit Gicht zu Bette liegt, werde ich um nichts weniger als offen sein:
Laß mich Dich zuerst einmal vor diesem Menschen Thon Taddeo warnen. Schenke ihm Deine gewöhnliche gütige Aufmerksamkeit, doch kein Vertrauen. Er ist ein glänzender Gelehrter, indessen ein weltlicher Gelehrter und ein politischer Gefangener seines Staates. Der Staat hier, das ist Hannegan. Überdies ist der Thon ziemlich antiklerikal, glaube ich – oder vielleicht bloß gegen die Klöster eingestellt. Nach seiner anstößigen Geburt ließ man ihn in einem Kloster verschwinden, und – doch nein, frag lieber den Überbringer darüber aus…<«
Der Mönch blickte von seiner Lektüre auf. Der Abt beobachtete immer noch die Geier über der Mesa der Letzten Zuflucht.
»Du weißt über seine Kindheit Bescheid, Bruder?« fragte Dom Paulo. – Der Mönch nickte.
»Lies weiter.«
Das Vorlesen wurde fortgesetzt, aber der Abt hörte nicht mehr zu. Er kannte den Brief fast auswendig, und doch spürte er immer noch, daß Marcus Apollo versucht hatte, ihm zwischen den Zeilen etwas mitzuteilen, das er, Dom Paulo, bis jetzt noch nicht hatte fassen können. Marcus versuchte ihn zu warnen – aber wovor? Der Ton des Briefes klang, gelinde gesagt, leichtfertig, und doch schien er voll unheilverkündender Ungereimtheiten zu stecken, die zu Papier gebracht worden sein mochten, um zu irgendeiner einzigen, düsteren Einheit zu verschmelzen, wenn er sie nur richtig zusammenfügen könnte. Warum sollte es gefährlich sein, den weltlichen Gelehrten in der Abtei Nachforschungen anstellen zu lassen?
Dem Kurier zufolge, der den Brief überbracht hatte, war Thon Taddeo selbst in einem Benediktinerkloster erzogen worden. Man hatte ihn dorthin gesteckt, um der Frau seines Vaters peinliche Situationen zu ersparen. Der Vater des Thon war Hannegans Onkel, während seine Mutter eine Dienstmagd war. Die Herzogin und gesetzliche Gattin des Herzogs hatte nie etwas gegen die Techtelmechtel des Herzogs gehabt, bis dieses gewöhnliche Dienstmädchen ihm den Sohn gebar, den er sich immer gewünscht hatte. Erst dann rief sie: »Schamlos!« Sie hatte ihm nur Töchter geschenkt; von einer Bürgerlichen ausgestochen zu werden, fachte ihren Zorn an. Sie gab das Kind fort, verprügelte die Dienerin, warf sie hinaus und fing an, dem Herzog wieder ihre Fesseln anzulegen. Um ihre Ehre wiederherzustellen, war sie willens, ihm einen Knaben zu gebären. Sie schenkte drei weiteren Mädchen das Leben. Der Herzog wartete geduldig fünfzehn Jahre. Als sie im Kindbett starb (wieder ein Mädchen), eilte er sofort zu den Benediktinern, um den Jungen zurückzuholen und ihn zum Erben einzusetzen.
Doch der junge Taddeo von Hannegan-Pfardentrott war ein freudloses Kind geworden. Er war vom Kind zum Jüngling herangewachsen, die Stadt und den Palast, wo sein Vetter ersten Grades auf den Thron vorbereitet wurde, immer vor Augen. Hätte sich seine Familie völlig von ihm zurückgezogen, er hätte trotzdem aufwachsen können, ohne über seine Stellung als Ausgestoßener aufgebracht zu sein. Aber sowohl sein Vater als auch die Dienerin, deren Leib ihn geboren hatte, kamen häufig genug zu Besuch, um ihn wieder und wieder zu erinnern, daß menschliches Fleisch und nicht Steine ihn gezeugt hatten, und ließen ihn so undeutlich erkennen, daß ihm Liebe vorenthalten wurde, auf die er Anspruch hatte. Außerdem war dann Prinz Hannegan in dem gleichen Kloster für ein Jahr zur Schule gegangen, hatte sich sofort zum Herrn über seinen Vetter, den Bastard, aufgeworfen und ihn in allem übertroffen, außer an Verstandesschärfe. Der junge Taddeo hatte den Prinzen mit kaltem Zorn gehaßt und hatte sich vorgenommen, ihn auf dem Gebiet des Wissens so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Der Wettstreit war indessen ins Wasser gefallen. Im folgenden Jahr verließ der Prinz die Klosterschule so ungebildet, wie er gekommen war, und nicht ein Gedanke wurde noch an seine Bildung verschwendet. Inzwischen hatte sein ausgestoßener Vetter den Wettstreit allein weitergeführt und hohe
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