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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Name im selben Atemzug mit Namen von Naturwissenschaftlern genannt wurde, die seit mehr als tausend Jahren tot waren, wobei der Thon kaum die Dreißig erreicht hatte. Der Priester war nicht darauf aus, zuzugeben, er wisse, daß der junge Wissenschaftler zur großen Hoffnung berechtigte, er sei eine jener seltenen Ausprägungen menschlichen Genies, die jedes Jahrhundert nur ein-oder zweimal erscheinen, um die gesamte geistige Welt mit einem Riesenstreich um und um zu wälzen. Er hüstelte entschuldigend. »Ich muß gestehen, daß ich einen großen Teil nicht gelesen…«
    »Schon gut.« Pfardentrott wischte die Entschuldigung beiseite. »Das meiste davon ist in höchstem Grade abstrakt und für den Laien langweilig. Theorien über das Wesen des Elektrischen. Bewegungen der Planeten. Anziehungskräfte. Derlei Gegenstände. Nun erwähnt aber Kornhoers Aufstellung Namen wie Laplace, Maxwell und Einstein – bedeuten die Ihnen irgendwas?«
    »Nicht viel. Die Geschichtsschreibung führt sie als Naturwissenschaftler, nicht wahr? Lebten sie nicht vor dem Zusammenbruch der letzten Hochkultur? Ich glaube, ihre Namen tauchen auch in einem der heidnischen Heiligenverzeichnisse auf, oder?«
    Der Gelehrte nickte. »Das ist alles, was wir über sie oder über das, was sie taten, wissen. Physiker, nach unseren nicht so recht verläßlichen Geschichtsforschern. Verantwortlich für den atemberaubenden Aufstieg der Europäisch-Amerikanischen Hochkultur, sagen sie. Geschichtsschreiber führen nichts als Belanglosigkeiten auf. Ich hatte sie fast schon vergessen. Aber Kornhoers Beschreibungen der alten Schriftstücke, die zu besitzen die Mönche behaupten, sind Beschreibungen von Papieren, die gut und gern aus irgendwelchen physikalischen Texten entnommen sein könnten. Aber das ist unmöglich!«
    »Nichtsdestoweniger müßt Ihr Euch der Sache versichern?«
    »Wir müssen uns der Sache versichern. Jetzt, wo die Sache ins Rollen kommt, wollte ich, ich hätte nie etwas davon gehört.«
    »Warum?«
    Thon Taddeo blickte angestrengt auf etwas in der Straße hinunter. Er winkte dem Priester. »Kommt einen Augenblick her. Ich zeige Euch, warum.«
    Apollo schlüpfte hinter seinem Tisch hervor und sah auf den schlammigen, ausgefahrenen Fahrdamm hinab, jenseits der Mauer, die den Palast, die Kasernen und die Gebäude des Kollegiums umgab und die bürgermeisterliche Burg von der brodelnden Siedlung der Plebejer trennte. Der Gelehrte zeigte auf die verschwommene Gestalt eines Bauern, der seinen Esel im Zwielicht nach Hause führte. Die Füße des Mannes waren mit Sackleinen umwunden, und der Schlamm war so an ihnen festgebacken, daß der Mann sie kaum heben konnte. Doch er schleppte sich, einen Fuß schwerfällig vor den anderen setzend, weiter, machte nach jedem Schritt eine kurze Pause. Er schien zu erschöpft, um den Schlamm abzukratzen.
    »Er reitet nicht auf dem Esel«, stellte Thon Taddeo fest, »weil der Esel diesen Morgen schwer mit Mais beladen war. Es geht ihm nicht auf, daß die Säcke jetzt leer sind. Was am Morgen gut war, ist am Abend auch richtig.«
    »Ihr kennt ihn?«
    »Er kommt auch an meinem Fenster vorbei. Jeden Morgen, jeden Abend. Ihr habt ihn nie bemerkt?«
    »Ihn genauso wie tausend andere.«
    »Seht, könnt Ihr Euch selbst glauben machen, daß dieser Klotz der geradlinige Abkömmling von Menschen ist, die angeblich Maschinen erfanden, die fliegen konnten, die zum Mond reisten, sich die Naturkräfte dienstbar machten, Maschinen bauten, die sprechen konnten und zu denken schienen? Könnt Ihr glauben, daß es solche Menschen gegeben hat?«
    Apollo schwieg.
    »Schaut ihn Euch an!« fuhr der Gelehrte hartnäckig fort. »Es ist jetzt leider schon zu dunkel. Ihr könnt den syphilitischen Ausschlag an seinem Hals nicht sehen und wie zerfressen der Nasenrücken ist. Unvollständige Paralyse. Wenn er nicht schon von vornherein schwachsinnig war. Ein Analphabet, abergläubisch und mordlustig. Er verseucht seine Kinder. Für eine Handvoll Münzen würde er sie umbringen. Wenn sie alt genug und nützlich sind, wird er sie sowieso verkaufen. Betrachtet ihn gut und sagt mir dann, ob Ihr in ihm den Nachkommen einer einstmals gewaltigen Kultur seht? Was seht Ihr wirklich?«
    »Christi Ebenbild«, knirschte der Monsignore, von seiner eigenen plötzlichen Wut überrascht. »Was erwartet Ihr denn von mir, daß ich sehe?«
    Der Gelehrte schnaubte in ungeduldigem Ärger. »Die Unstimmigkeit, den Widerspruch. Die Menschen, wie Ihr sie durch jedes

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