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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Veränderung läßt ihr Vorübergehen erkennen. Zwei Jahreszeiten waren vorüber, seit Dom Paulo das Gesuch, das über die Ebenen gekommen war, abgelehnt hatte, aber die Angelegenheit war erst vor ein paar Wochen beigelegt worden. War sie überhaupt beigelegt? Texarkana war offensichtlich unglücklich über die Ergebnisse.
    Bei Sonnenuntergang schritt der Abt die Mauern der Abtei entlang, sein Kinn wie eine überwachsene alte Klippe etwaigen Sturzseen aus dem Meer der Ereignisse entgegengestellt. Sein sich lichtendes Haar flatterte als weißes Fähnchen im Wüstenwind, und der Wind preßte sein Habit eng wie einen Verband an seinen gebeugten Körper und ließ ihn wie einen abgemagerten Ezechiel mit seltsam kugeligem Schmerbauch aussehen. Er stieß die knochigen Hände in seine Ärmel und blickte gelegentlich finster über die Wüste hin zum Dorf von Sanly Bowitts in der Ferne. Der rote Schein der Sonne warf einen schreitenden Schatten über den Hof. Die Mönche, die beim Überqueren des Platzes plötzlich auf ihn stießen, sahen erstaunt zu dem alten Mann auf. Ihr Vorsteher schien in letzter Zeit schwermütig und merkwürdig schlimmen Ahnungen ausgesetzt. Man flüsterte sich zu, die Zeit würde bald kommen, daß ein neuer Abt zum Vorsteher über die Brüder des heiligen Leibowitz eingesetzt werden würde. Man flüsterte sich zu, daß es dem alten Mann nicht gut, gar nicht sehr gut gehe. Man flüsterte sich zu, daß im Falle der Abt das Flüstern vernehmen sollte, die Flüsterer besser über die Mauer das Weite suchten. Der Abt hatte gelauscht, aber diesesmal gefiel es ihm, keine Notiz davon zu nehmen.
    Er wußte selbst am besten, daß die Flüsterer recht hatten.
    »Lies es mir noch einmal vor«, sagte er barsch zu dem Mönch, der bewegungslos in der Nähe bereitstand.
    Die Kapuze des Mönches neigte sich leicht in die Richtung des Abtes. »Was, Herr?« fragte er.
    »Du weißt, was.«
    »Ja, Herr.« Der Mönch tastete in einem seiner Ärmel herum.
    Der Ärmel hing schwer herab und schien scheffelweise Urkunden und Briefe zu enthalten. Doch im Nu hatte er das Richtige gefunden. An der Schriftrolle fand sich die Aufschrift:
     
     
    SUB IMMUNITATE APOSTOLICA HOC SUPPOSITUM EST.
    QUISQUIS NUNTIUM MOLESTARE AUDEAT,
    IPSO FACTO EXCOMMUNICETUR.
     
    DET: R’dissimo Domno Paulo de Pecos, AOL, Abbati
    (Kloster der Brüder des Leibowitz, bei dem Dorf Sanly Bowitts, südwestliche Wüste, Kaiserreich von Denver)
    CUI SALUTEM DICIT: Marcus Apollo Papatiae Apocrisarius Texarkanae
     
    »Ganz recht, das ist es. Lies schon«, sagte der Abt ungeduldig.
    »Accedite ad eum…« Der Mönch bekreuzigte sich und sprach den üblichen Schriftsegen, der vor dem Lesen oder Schreiben beinahe so peinlich genau wie der Segen vor den Mahlzeiten gesprochen wurde. Die Bewahrung der Schrift und des Wissens war ein dunkles Jahrtausend hindurch die Aufgabe der Brüder des Leibowitz gewesen, und solche bescheidenen Rituale halfen, die Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren.
    Als der Segen gesprochen war, hielt er die Schriftrolle hoch in das Abendlicht, so daß sie ganz durchsichtig wurde. »›Iterum oportet apponere tibi crucem ferendam, amice… ‹«
    Seine Stimme erklang in schwachem Singsang, wie seine Augen die Worte aus dem Dickicht überreichlicher Federschnörkel hervorzogen. Der Abt lehnte sich gegen die Mauerbrüstung, um zuzuhören, und schaute auf die Geier, die über der Mesa der Letzten Zuflucht kreisten.
    »›Es läßt sich schon wieder nicht vermeiden, alter Freund und Hirte kurzsichtiger Bücherwürmer, Dir ein beschwerliches Kreuz aufzuerlegen‹«, leierte die Stimme des Vorlesers, »>aber vielleicht wird darin, daß Du das Kreuz auf Dich nimmst, ein Beigeschmack von Sieg liegen. Es hat den Anschein, als wolle schließlich die Königin von Saba zu Salomon kommen, wenn auch vermutlich, um ihn öffentlich als Scharlatan zu brandmarken.
    Dies hier, um Dir anzuzeigen, daß Thon Taddeo Pfardentrott, Dr. rer. nat., Weiser der Weisen, Gelehrter der Gelehrten, blondgelockter unehelicher Sohn eines gewissen Prinzen und Gottes Gabe an eine ›Erwachende Generation‹, sich endlich entschlossen hat, Dir einen Besuch abzustatten, nachdem sich alle Hoffnungen, Deine Memorabilien in sein liebliches Reich zu überführen, zerschlagen haben. Er wird etwa zum Fest der Himmelfahrt Maria eintreffen, wenn es ihm gelingen sollte, den Räuberbanden am Wege zu entgehn. Er wird seine Zweifel und einen kleinen Trupp bewaffneter Reiter mitbringen, eine

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