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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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– ist das eine Prophezeiung? Nein, das ist lediglich eine Vertrauenserklärung an die Beständigkeit gewisser Ereignisse. Die Kinder der Welt sind ebenso beständig – deshalb sage ich mit Bestimmtheit, daß sie gierig alles aufsaugen werden, was ihr zu bieten habt, euch das Gewerbe verderben werden und euch dann öffentlich als abbruchreife Ruinen bezeichnen werden. Schließlich werden sie euch gar keine Beachtung mehr schenken. Euer eigner Fehler. Das Buch, das ich euch gegeben habe, hätte euch genügen sollen. Jetzt müßt ihr euch einfach mit den Folgen eurer Einmischung abfinden.«
    Er hatte das nachlässig gesagt, aber seine Vorhersage hatte anscheinend peinliche Ähnlichkeit mit den Befürchtungen Dom Paulos. Der Priester sah niedergeschlagen aus.
    »Laß dich von mir nicht ins Bockshorn jagen!« sagte der Einsiedler. »Ich wage nicht den Wahrsager zu spielen, bevor ich nicht euren Mordsapparat gesehen oder mir diesen Thon Taddeo angesehen habe, der übrigens beginnt, mich zu interessieren. Wenn du meinen Rat suchst, dann warte, bis ich das neue Zeitalter genauer auf Herz und Nieren geprüft haben werde.«
    »Leider wirst du die Lampe nicht sehen, da du ja nie ins Kloster kommst.«
    »Ich habe etwas gegen euer widerwärtiges Essen.«
    »Und Thon Taddeo wirst du auch nicht zu Gesicht bekommen, weil er aus der anderen Richtung kommt. Wenn du mit deiner Prüfung auf Herz und Nieren wartest, bis das Zeitalter geboren wurde, wird es zu spät sein, seine Geburt vorherzusagen.«
    »Unsinn. Den Leib der Zukunft eindringlich zu untersuchen wird dem Kind nur schaden. Ich werde warten, und dann werde ich weissagen, daß es geboren wurde und daß es nicht das ist, worauf ich gewartet habe.«
    »Eine heitere Aussicht! Worauf wartest du nun eigentlich?«
    »Auf jemanden, der mir einst etwas zugerufen hat.«
    »Zugerufen?«
    »›Komm hervor‹.«
    »Was für ein Quatsch!«
    »Hmmm – hnnn! Um dir die Wahrheit zu sagen, ich erwarte Sein Kommen kaum mehr, aber mir wurde aufgetragen zu warten, und…«, er hob die Schultern, »so warte ich eben.« Einen Augenblick später zogen sich seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, und er beugte sich plötzlich ungeduldig vor: »Paulo, bring mir den Thon Taddeo hier am Fuß der Mesa vorbei.«
    Der Abt fuhr in gespieltem Entsetzen zurück: »Du Pilgerschreck! Novizenbelästiger! Ich werde dir Meister Dichter schicken. Möge er dich heimsuchen und hier seinen ewigen Frieden finden. Den Thon an deinem Bau vorbeiführen! Die Unverschämtheit!«
    Benjamin zog die Schultern wieder hoch: »Na schön. Vergiß, daß ich dich bat. Aber hoffen wir, daß dieser Thon es diesmal mit uns halten wird und nicht mit den anderen.«
    »Den anderen, Benjamin?«
    »Manasse, Kyros, Nebukadnezar, Pharao, Cäsar, Hannegan II.! – muß ich noch mehr nennen? Samuel warnte uns vor ihnen und gab uns darauf selber einen. Wenn sie sich ein paar gelehrte Männer als Ratgeber fast wie Gefangene halten, dann sind sie noch gefährlicher als sonst. Das ist alles an Rat, das ich dir geben kann.«
    »Gut, Benjamin, ich habe genug von dir für die nächsten fünf Jahre, also werde…«
    »Beleidige mich, schmähe mich, quäle mich…«
    »Hör auf. Mein Alter, ich gehe. Es ist spät.«
    »Wirklich? Und wie fühlt sich unser geistlicher Bauch? Fertig zum Ritt?«
    »Mein Magen?« Dom Paulo schwieg und prüfte nach. Er hatte sich keinen Augenblick der letzten Wochen wohler befunden als jetzt. »Er ist natürlich völlig durcheinander!« klagte er. »Wie auch anders, nachdem ich dir zugehört habe!«
    »Allerdings – El Schaddai, der Allmächtige, ist barmherzig, aber Er ist auch gerecht.«
    »Leb wohl, mein Alter! Sollte Bruder Kornhoer die Flugmaschine wieder erfinden, werde ich ein paar Novizen herüberschicken, um dir Steine auf den Kopf werfen zu lassen.«
    Sie umarmten sich zärtlich. Der alte Jude führte ihn zum Rand des Tafelberges. Benjamin stand eingehüllt in einen Gebetsmantel, dessen feines Gewebe sich sonderbar von der rauhen Leinwand seines Lendentuchs abhob. Der Abt kletterte derweilen hinunter zum Pfad und ritt zurück auf die Abtei zu. Er konnte den alten Juden noch dort im Sonnenuntergang stehen sehen, seine dürre Gestalt schwarz gegen den dämmrigen Himmel, wie er sich verbeugte und Gebete über die Wüste hin murmelte.
    »Memento, Domine, omnium famulorum tuorum«, flüsterte der Abt als Antwort und fügte hinzu: »Möge er endlich das Auge des Dichters beim Schussern gewinnen.

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