Lobgesang auf Leibowitz
Herr.«
»Wie?« Dom Paulo drehte sich um und blickte wieder angestrengt hinüber.
Die Beratung ging ihrem Ende zu. Einige Männer winkten. Die Gruppe teilte sich. Der größere Trupp galoppierte zurück in östlicher Richtung. Die übrigen Reiter sahen ihnen kurz nach, ließen die Pferde wenden und trabten auf die Abtei zu.
»Sechs oder sieben sind’s, einige in Uniform«, murmelte der Abt, als sie näher kamen.
»Ich bin sicher, der Thon und seine Gruppe.«
»Aber mit Nomaden? Gut, daß ich dich gestern nacht keinen Reiter ausschicken ließ. Was hatten sie mit den Nomaden zu schaffen?«
»Es scheint, daß sie als Führer kamen«, sagte finster Pater Gault.
»Wie freundschaftlich vom Löwen, sich neben das Lamm zu legen.«
Die Reiter näherten sich dem Tor. Dom Paulo schluckte mit trockener Kehle. »Nun, wir sollten sie lieber willkommen heißen, Pater«, seufzte er.
Als die Priester von der Mauer herabgestiegen waren, hatten die Reisenden ihre Pferde gerade vor dem Hof zum Stehen gebracht. Ein Reiter löste sich aus der Gruppe der anderen, trabte vorwärts, stieg ab und wies seine Papiere vor.
»Dom Paulo von Pecos, Abbas?«
Der Abt verneigte sich. »Tibi adsum. Willkommen im Namen des heiligen Leibowitz, Thon Taddeo. Willkommen im Namen seiner Abtei, im Namen von vierzig Generationen, die auf Euer Kommen gewartet haben. Dies sei Euer Haus. Wir stehen Euch zu Diensten.« Die Worte waren von Herzen aufrichtig. Die Worte waren viele Jahre hindurch im Warten auf diesen Augenblick zurückgehalten worden. Dom Paulo blickte bedächtig auf, da er als Antwort nur eine gemurmelte Einsilbigkeit gehört hatte.
Einen Augenblick hing sein Blick wie gefesselt an dem des Gelehrten. Er spürte die Wärme rasch vergehen. Diese eisigen Augen – ein kaltes und scharfes Grau. Mißtrauisch, hungrig und stolz. Sie prüften ihn so, wie man eine leblose Rarität prüft.
Paulo hatte inbrünstig gebetet, daß dieser Augenblick wie ein Brückenschlag über den Abgrund von zwölf Jahrhunderten sein möge – hatte auch gebetet, daß durch ihn die letzten gemarterten Wissenschaftler jenes vergangenen Zeitalters dem Morgen die Hand reichen würden. Den Abgrund gab es tatsächlich, soviel war klar. Plötzlich wurde dem Abt bewußt, daß er gar nicht in diese Zeit gehörte, daß er im Fluß der Zeit irgendwo auf einer Sandbank hängengeblieben war, und auch, daß es überhaupt nie eigentlich eine Brücke gegeben hatte.
»Kommt«, sagte er leise, »Bruder Visclair wird sich um Eure Pferde kümmern.«
Als er die Gäste in ihren Quartieren untergebracht sah und in die Abgeschiedenheit seiner Studierstube zurückgekehrt war, erinnerte ihn das Lächeln auf dem Gesicht des hölzernen Heiligen unerklärlicherweise an das listige Grinsen des alten Benjamin Eleasar, als er sagte: »Die Kinder dieser Welt sind ebenso beständig.«
18
»Es begab sich eines Tages wie in den Zeiten Hiobs«, begann ein Bruder vom Lesepult des Refektoriums aus zu lesen:
»Als die Söhne Gottes kamen und vor den Herrn traten, war auch Satan unter ihnen.
Der Herr aber sprach zu Satan: ›Wo kommst du her?‹
Und der Satan antwortete und sprach wie ehedem: ›Ich habe die Erde umher durchzogen.‹
Und der Herr sprach zu ihm: ›Hast du achtgehabt auf jenen schlichten und gerechten Fürsten, meinen Knecht Namen, der das Böse meidet und den Frieden liebt?‹
Und Satan antwortete und sprach: ›Meinst Du, daß Name Dich, Gott, grundlos fürchtet? Hast Du doch sein Land mit großem Reichtum gesegnet und ihn mächtig unter den Völkern gemacht. Aber recke Deine Hand aus und nimm alles, was er hat, und laß seinen Feind an Stärke gewinnen: was gilt’s, er wird Dir ins Gesicht schmähen.‹
Und der Herr sprach zum Satan: ›Alles, was er hat, sei in deiner Hand; sieh zu, daß du es verminderst.‹
Da ging Satan fort vom Angesicht des Herrn und kehrte zurück zur Erde.
Aber Fürst Name war nicht wie der gottesfürchtige Hiob, denn als sein Land von Wirrnis heimgesucht wurde und sein Volk weniger reich als zuvor war, da er seinen Feind stärker werden sah, wuchs seine Furcht, und er hörte auf, Gott zu vertrauen, und dachte bei sich selbst: Ich muß zuschlagen, bevor mir der Feind auch ohne Schwert in der Hand überlegen ist.«
»So geschah es aber in jenen Tagen«, fuhr Bruder Vorleser fort,
»daß die Fürsten dieser Erde ihre Herzen verhärteten vor dem Gesetz des Herrn, und ihres Hochmuts war kein Ende. Und ein jeglicher
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