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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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schnellte hoch und ließ sich wieder fallen. »Diesmal hab ich dich soweit gebracht, Zeugnis abzulegen. Ha! Nimm mir’s nicht übel. Ich führe selbst ziemlich viele Worte im Mund, aber ich bin mir nie ganz sicher, ob Er und ich auch dasselbe meinen. Ich denke, dir kann man das nicht zum Vorwurf machen. Mit dreien muß es verwirrender sein als mit einem.«
    »Blasphemischer alter Kaktus! Ich wollte wirklich deine Meinung über Thon Taddeo hören und das, was sich da vielleicht zusammenbraut.«
    »Warum die Meinung eines armen, alten Anachoreten wissen wollen?«
    »Darum, Benjamin Eleasar bar Joshua, wenn dich all diese Jahre des Wartens auf einen, der da nicht kommen wird, nicht weise gemacht haben, so haben sie dich wenigstens gerissen gemacht.«
    Der alte Jude schloß die Augen, hob sein Gesicht zur Decke und lächelte schlau. »Beleidige mich nur«, sagte er mit spöttischer Stimme, »schmähe mich, quäle mich, tritt auf mir herum – aber weißt du, was ich sagen werde?«
    »Du wirst ›Hmm – hnnn‹ sagen!«
    »Nein! Ich werde sagen, daß Er schon hier ist. Ich habe Ihn einmal flüchtig erblickt.«
    »Was? Wen meinst du? Thon Taddeo?«
    »Nein! Überdies habe ich keine Lust, weiszusagen, es sei denn, du erzählst mir, was dir wirklich Sorgen macht.«
    »Also, es fing alles mit der Lampe von Bruder Kornhoer an.«
    »Lampe? Ach ja, der Dichter hat sie erwähnt. Er sagte voraus, sie würde nicht funktionieren.«
    »Der Dichter hatte wie immer unrecht. Soviel ich höre. Ich habe mir das Experiment nicht angesehen.«
    »Sie geht also? Prächtig. Was soll damit angefangen haben?«
    »Mein Nachdenken. Wie dicht stehen wir am Rand von irgend etwas? Oder wie nahe sind wir einem neuen Ufer? Elektrische im Keller. Fällt dir nicht auf, wie sehr sich alles in den letzten zwei Jahrhunderten verändert hat?«
     
     
    Bald sprach der Priester ausführlich von seinen Befürchtungen, während ihm der Einsiedler, der Zeltflicker, geduldig zuhörte, bis die Sonne anfing, durch die Ritzen der Westwand zu sickern und leuchtende Strahlen in die staubige Luft zu malen.
    »Seit dem Untergang der letzten Kultur waren die Memorabilien unser vornehmster Wirkungskreis, Benjamin. Und wir sind dabei geblieben. Aber jetzt? Ich fühle mich in derselben mißlichen Lage wie ein Schuster, der in einem Dorf voller Schuster Schuhe verkaufen will.«
    Der Einsiedler lächelte. »Das könnte gehen, wenn er eine besondere und bessere Art Schuhe herstellte.«
    »Ich fürchte, daß die weltlichen Gelehrten schon anfangen, diese bessere Art für sich in Anspruch zu nehmen.«
    »Dann gib das Schustern auf, bevor du dich ruiniert hast.«
    »Eine Möglichkeit«, gab der Abt zu. »Trotzdem unangenehm, das in Betracht zu ziehen. Zwölf Jahrhunderte lang sind wir eine kleine Insel mitten in einem sehr finsteren Meer gewesen. Die Memorabilien zu bewahren ist eine undankbare Aufgabe gewesen, aber, wie wir meinen, doch eine geheiligte. Es ist lediglich unser weltlicher Beruf, aber wir sind immer Buchschmuggler und Einpräger gewesen, und es ist kaum vorstellbar, daß es mit diesem Beruf bald ein Ende nehmen könnte, daß er bald überflüssig sein wird. Irgendwie kann ich das nicht recht glauben.«
    »Du versuchst jetzt also, die andren ›Schuster‹ dadurch auszustechen, daß du merkwürdige Apparate in deinem Keller baust?«
    »Wie ich zugeben muß, sieht es so aus.«
    »Was hast du als nächstes vor, um den Weltlichen eine Nasenlänge voraus zu sein? Eine Flugmaschine zu bauen? Oder die Machina analytica wieder ins Leben zu rufen? Oder die Weltlichen weit unter dir zurückzulassen und eine Zuflucht zur Metaphysik zu nehmen?«
    »Du beschämst mich, alter Jude. Du weißt, daß wir vor allem Mönche Christi sind, und solche Maschinen sollen andere bauen.«
    »Ich wollte dich nicht beschämen. Ich sehe keinen Widerspruch in Christi Mönchen, die Flugmaschinen bauen, obgleich es ihnen ähnlicher sähe, eine Betmaschine zu bauen.«
    »Witzbold. Ich erweise meinem Orden einen schlechten Dienst, dich in mein Vertrauen zu ziehen.«
    Benjamin setzte ein hämisches Grinsen auf. »Ich hab kein Mitleid mit dir. Die Bücher, die ihr weggestapelt habt, mögen grau vor Alter sein, aber sie sind von Kindern der Welt geschrieben worden, und sie werden euch von Kindern der Welt genommen werden. Ihr hattet von Anfang an kein Recht, euch mit ihnen abzugeben.«
    »Ah, plötzlich hast du Lust zu Prophezeiungen.«
    »Ganz und gar nicht. ›Die Sonne wird gleich untergehen‹

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