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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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auszumerzen, ehe die Schiffsbauer sich dem Bankenwesen zugewandt hatten. »Es gibt kein Haus Y’Zir«, sagte er. »Es ist gefallen, als Xhum Y’Zir der Welt das Rückgrat gebrochen hat.«
    »›Und was gefallen ist, soll wieder aufgerichtet werden, und was tot ist, soll wieder leben‹«, sagte Ria mit einem Lächeln. »Das Zeitalter der Karmesinkaiserin zieht herauf.« Sie streckte eine Hand aus und streichelte Vlads stoppelige Wange. Ihre Hand war warm und ihr Atem süß. »Lieber Vlad«, sagte sie, »verstehst du, dass dein Blut uns alle retten wird?«
    Ich bin deine Blutlöserin.
    »Uns wovor retten?«, fragte er.
    Sie lächelte. »Vor uns selbst.« Ria betätigte einen Hebel, und er spürte, wie er herumgedreht wurde, leicht nach unten geneigt, damit er die Schneidetische unten ganz im Blick hatte. Plötzlich war ihr Mund an seinem Ohr. »Das wird jetzt wehtun, Vlad. Sehr.«
    Er biss die Zähne zusammen. »Wenn du mir Schnitte zufügen willst, tu es.«

    Sie lachte. »Das werde ich. Aber erst musst du etwas für mich empfinden.«
    »Was soll ich empfinden?«
    Ria lächelte. »Verzweiflung.«
    Sie klatschte, und unten öffnete sich eine Tür. Männer in Roben führten einen jungen, nackten Mann herein. Vlad kannte ihn.
    Es war Ru, der dreizehnte Sohn von Vlads Zwanzigstem. Ihm fiel ein, dass er letzten Monat dreißig geworden war. Die Männer brachten ihn zu dem Tisch, und obwohl der junge Mann ganz ruhig schien, war das Grauen auf seinem Gesicht offensichtlich. Als sie anfingen, ihn festzubinden, öffnete Vlad Li Tam den Mund, um etwas zu rufen.
    Ria legte ihm eine Hand über den Mund. »Du bist hier, um zuzuhören«, sagte sie, »nicht, um zu sprechen.« Er nickte, und Ria nahm ihre Hand weg. »Und du bist hier, um zuzusehen.« Hier wurde ihr Lächeln breiter. »Schließ nur einmal deine Augen, und ich schneide dir die Lider ab.«
    Vlad Li Tam schluckte und zwang sich dazu, dem Blick seines Enkels zu begegnen. Er sah, wie in den Augen des jungen Mannes Tapferkeit aufflammte, und er nickte einmal, langsam. Mut , sagte er in Gedanken zu ihm.
    Und es schien, als würden die Augen Liebe erwidern.
    Der Schnitter, in Karmesin gekleidet, näherte sich dem Tisch.
    Sorgfältig wählte er sein erstes Messer aus, und Vlad Li Tam spürte seinen Herzschlag in den Schläfen und roch Eisen, mit seinem eigenen kalten Schweiß vermengt. Mut. Aber diesmal sprach er zu sich selbst.
    Der Schnitter fing mit seiner Arbeit an, und Vlad Li Tam sah zu. Seine Augen wichen niemals vom Blick seines Enkels, nicht einmal, als das Schreien begann, nicht einmal, als der Körper bebte und zuckte, während sich die Blutfänger unter den Messern füllten.

    Die Zeit zog an ihm vorüber, langsam und schwer und laut.
    Er sah zu und schluckte die Schluchzer, die ihn übermannten, kostete das Salz seiner Tränen, die seine Wangen hinabrollten und in seinen offenen Mund fielen. Sein Vater hatte ihm für das Werk ihrer Familie in den Benannten Landen eine gewisse Distanz beigebracht, und diese Fähigkeit hatte ihm stets gute Dienste geleistet, wenn er seine Kinder wie Pfeile auf ihre Ziele in der Welt abschoss. Er hatte hunderte von Leben geopfert, die meisten davon aus seiner eigenen Familie.
    Aber hier erbrachte er kein schwieriges Opfer, um den Grundstein für eine große Intrige oder Strategie zu legen – hier hatte er überhaupt keine Entscheidungen zu treffen. Es ging nur darum, seine Augen auf seinen Enkel gerichtet zu halten und zu sehen, wie er sich unter den Klingen wand und aufbäumte.
    »Weshalb tust du das?«, fragte er schließlich.
    Ria klatschte, und unten senkte der Schnitter sein Messer. Sie beugte sich zu ihm. »Ich habe es dir gesagt. Ich erlöse deine Sippe. Ich bezahle mit Blut für die Erlösung.«
    Vlad Li Tam starrte auf seinen Enkel hinab und sah, dass er seine Lippen bewegte. »Was willst du von mir? Willst du Informationen? Willst du Geld?«
    Ihr schallendes Gelächter klang wie eine verzückte Melodie in Moll. »Nein, ganz und gar nicht. Ich belüge dich nicht, Vlad. Alles, was von dir gefordert wird, ist zuzusehen und zuzuhören.« Sie hielt inne. »Ich habe dir gesagt, dass es wehtun wird.«
    Was sagt er da? Vlad stemmte sich gegen die Riemen, spürte, wie sie ihm ins Fleisch schnitten, als er sich bemühte, den Sohn seines Sohnes zu verstehen. Die Stimme war leise und gurgelte. Aus seinem Mund kam rosaroter Schaum. »Gib ihm Wasser«, befahl Ria, und ein Mann in einer schwarzen Kutte trat mit einem Becher vor,

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