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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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während der Schnitter daneben stand, sein Messer sauber wischte und ein weiteres vom Tisch auswählte.
    Die Worte wurden deutlicher, und Vlad Li Tams Schluchzen
brach als Schrei aus seiner Kehle, obwohl er alles tat, ihn zu unterdrücken.
    Er hatte nicht die Möglichkeit, sie aufzuschreiben, und so entbot Vlads Enkel seine letzten Worte von dort unten, unter den gepeinigten Blicken seines Großvaters.
    Es war ein Gedicht über Ehre und Opfer, komponiert aus Blut und Schmerzen.
    Vlad Li Tam spürte die heißen Tränen, die ihm die Wangen hinabliefen, hörte, wie sie klatschend auf den Boden fielen. Er zwang sich, den Blick seines Enkels festzuhalten, schaute weiterhin zu, selbst als der Schnitter sein Messer wieder aufnahm, selbst als Ru Li Tams Augen wegen der Schmerzen, die die Klinge verursachte, nach hinten rollten, selbst als das Gedicht abermals zu einem Kreischen wurde.
    Später – Stunden später, wie es schien –, als der Junge reglos und still dalag, lächelte Ria. »Morgen«, sagte sie, »sollten wir Zeit für drei haben.«
    Vlad Li Tam hörte ein Krächzen und erkannte, dass es seine eigene Stimme war. Er schluckte gegen die Trockenheit in seinem Mund an und versuchte es noch einmal. »Nehmt mich stattdessen. «
    »Oh«, sagte Ria und blickte zu dem Tisch mit ihren Messern, »das werde ich beizeiten tun, Vlad.«
    Ich möchte, dass du etwas für mich empfindest. Vlad Li Tam versuchte, seinen Blick von dem leblosen Körper dort auf dem Tisch loszureißen. Er hatte sie bereits auf dem Anleger empfunden, aber jetzt hatte sie ihn mit neuer Stärke im Griff. Er konnte sie wachsen spüren.
    Verzweiflung.
    Vlad Li Tam bemerkte die Hände nicht, die ihn von dem Tisch losbanden und auffingen, als er fiel. Er war sich der Männer nur undeutlich bewusst, die ihn zurück zu seinem Zimmer trugen, um ihn in der Nähe der Tür auf dem Boden abzusetzen.

    Alles, was er sah, war der Mund seines toten Enkels, der sich langsam bewegte, um die Zeilen des Gedichts zu wiederholen, das er unter dem Messer ersonnen hatte.
    Weinend wiederholte Vlad Li Tam die Worte und hörte die ganze Nacht nicht auf, zu einem Ball zusammengekrümmt, seine Faust im Mund. Er lag dort und rezitierte das Gedicht, bis am nächsten Morgen das Glockenspiel erklang.
    Dann kamen die Männer, um Vlad Li Tam in einen weiteren Tag zu tragen.
    Petronus
    Petronus stand am Rand des beengten Marktplatzes und meditierte, um seine Ruhe zu bewahren. Esarovs Männer waren in seiner Nähe, und er sah am gegenüberliegenden Ende des Platzes entrolusische Soldaten in Uniform. Um sie herum summte und brummte das geschäftige Treiben.
    Er hatte nach Grymlis Ausschau gehalten, ihn aber nicht entdeckt. Als es an der Zeit gewesen war zu gehen, war es noch vor der Morgendämmerung gewesen, und er hatte es nicht übers Herz gebracht, ihn zu wecken. Sie waren zur Stadt geritten und hatten im Erdgeschoss einer Schenke in der Nähe des Hafens auf den Mittag gewartet.
    Nun warteten sie auf das Zeichen – einen roten Schal, der auf einem Dach geschwenkt wurde. Als sie ihn sahen, blickten sie zu einem Balkon zwei Gebäude weiter, und Petronus stockte der Atem.
    Zwischen zwei Soldaten stand ein vertrauter Mann, älter, ja, aber er hatte sich gut gehalten in den dreißig Jahren, seit Petronus ihn zuletzt gesehen hatte. Petronus nickte dem Mann neben sich zu. »Ja«, sagte er. »Das ist Charles, ganz sicher.«

    Über ihnen wurde ein blauer Schal geschwenkt.
    Sie warteten weitere drei Minuten ab, dann berührte ihn der Mann zu seiner Rechten an der Schulter. »Es ist so weit.«
    Petronus blickte auf und suchte nach einem Weg über den belebten Marktplatz. Mit einem Blick auf die Männer neben ihm holte er tief Luft und machte sich auf, seine Augen fest auf die andere Seite des Platzes gerichtet. Während er sich langsam vorwärtsbewegte, fand er sich vor der Frage wieder, wie sich von diesem Augenblick an alles weiterentwickeln würde. Bis jetzt hatte er in dieser Angelegenheit noch etwas zu sagen gehabt, aber sobald er an Charles vorüber war, sobald er sich an Erlunds Männer auslieferte, würde seine Stimme verstummen, das wusste Petronus. Dann war es nur noch das Spiel von Esarov und Erlund.
    Er sah den ausgedünnten Haarkranz auf Charles’ Kopf durch die Menge schwimmen, der sich mit gemächlicher Geschwindigkeit auf ihn zubewegte. Als sich ihre Blicke begegneten, war es, als hätten Petronus zwei Blitze gleichzeitig getroffen.
    Aus der Ferne hatte es ausgesehen, als sei

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