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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Schultern herabsanken. Er starrte Esarov an. »Wäre das alles?«
    »Ja«, sagte Esarov und erhob sich. »Ich habe keine weiteren Neuigkeiten. Aber sie ist sicher, und der Zigeunerkönig behandelt die entrolusischen Flüchtlinge gut – er gibt ihnen zu essen, Unterkunft und Arbeit.«
    Lysias nickte und beobachtete, wie Esarov zum Fenster ging. Er schlüpfte auf einen schmalen Balkon hinaus und kletterte über das Geländer. »Meine Männer werden Euch in drei Tagen aufsuchen, um Erlunds Antwort zu hören«, sagte er, als er nach draußen in den zur Neige gehenden Tag verschwand.
    Lysias schloss die Augen und spürte, wie ein Schluchzen ohne Tränen seine Schultern erzittern ließ.
    »Wir sollten bald gehen«, sagte Sasha und brachte ihr Haar und ihre Kleider durcheinander.
    Als er in ihre strahlend grünen Augen aufblickte, war sich
Lysias nicht sicher, was er dort zu finden hoffte. Gnade. Mitleid. Vielleicht Vergebung.
    Aber alles, was er dort sah, war eine stille, kalte Anklage.
    Vlad Li Tam
    Vlad Li Tam erwachte beim Klang eines Glockenspiels und schob die leichten Satindecken des Bettes seiner Zelle zur Seite. Er zwang sich, sich langsam aufzusetzen, wobei er noch einmal eine Bestandsaufnahme seiner neuen Umgebung machte.
    Es hatte keine weiteren Unterhaltungen und erst recht keine Erklärungen gegeben, als sie ihn in diese Flucht aus fensterlosen Zimmern geführt hatten. Man hatte ihm saubere Leinenkleider und Sandalen dagelassen, und er hatte ein Badezimmer gefunden, einschließlich heißen Wassers und einer Marmorwanne. Sobald er sich gewaschen hatte, waren Diener gekommen, die Tablett auf Tablett mit dampfenden Meeresfrüchten, klebrigem Reis und frischem Obst brachten. Er hatte sich an diesem ersten Mahl nur sehr sparsam bedient, war dann auf die Federmatratze gekrochen und in einen tiefen Schlaf gefallen.
    Es hatte seither etliche Mahlzeiten gegeben, und er nahm an, das bedeutete, dass mehrere Tage vergangen waren.
    Mindestens einen davon hatte Vlad Li Tam damit verbracht, an die Tür zu hämmern und seine Fragen und Forderungen hinauszubrüllen.
    Eigentlich war es immer dieselbe Frage, die er auf unterschiedliche Arten ausdrückte:
    Was habt ihr mit meiner Familie vor?
    Sie verfolgte ihn sogar, während er die Muster dieses neuen whymerischen Irrgartens studierte. Sie hatten ihn erniedrigt und dann in diesem Luxus sich selbst überlassen, ohne etwas von
ihm zu erwarten – soweit er wusste. Irgendwann würde sich das jedoch ändern.
    Bis dahin aß er, badete sich und schlief in mehr oder weniger gleichmäßigen Zeitspannen.
    Aber ihm dämmerte, dass jetzt etwas anders war.
    Das Glockenspiel. Er stand auf und zog sich den Talar über die nackte Haut. Er ging hinaus in den Sitzbereich und sah, dass die junge Frau dort auf ihn wartete.
    Sie neigte den Kopf. »Guten Abend, Vlad.«
    Abend , dachte er und erwiderte die Geste des Respekts geflissentlich nicht. »Wie soll ich dich nennen?«
    »Ria«, sagte sie.
    Vlad Li Tam blickte ihr in die Augen. »Wo sind meine Kinder, Ria, und was hast du mit ihnen vor?«
    Sie lächelte. »Sie sind hier«, sagte sie, »und ich habe nichts vor.« Sie trat zurück, hin zur Tür. »Würdest du sie gerne sehen?«
    Vlad Li Tam schluckte, sein Blick verengte sich. Das ist die Veränderung , dachte er. »Ja«, sagte er. »Das würde ich gerne.«
    Ria wandte sich um, wobei ihre dunklen Gewänder sie umflossen wie Tinte, die sich in einem Wasserglas ausbreitet. »Dann gehen wir und sehen sie uns an, Vlad.«
    Es gab keine Fesseln. Keine Wachen. Keine Augenbinden. Während sie gingen, zwang Vlad sich dazu, sich in franzinische Ruhe zu hüllen, und konzentrierte sich auf seine Umgebung. Er zählte seine Schritte von der Tür, bemerkte den steinernen Gang, die Beschaffenheit des Bodens, die Qualität der Luft und die Art, wie ihre Schritte hinter ihnen und vor ihnen widerhallten. Seine Augen maßen den Abstand zwischen den Türen – Türen, die aus demselben dunklen Holz bestanden, aus dem auch das rätselhafte Schiff gebaut war, mit Eisenbändern und einer Reihe von Bolzenschlössern verstärkt.
    Mit Augen und Füßen und Ohren und Nase saugte er alles in sich auf, ordnete es nach Wichtigkeit und legte es ab. Wenn er es
brauchte, würde er es wieder hervorholen. Und irgendwann würde er genug wissen, um …
    »Dein Vater hat dich gut ausgebildet, Vlad«, sagte Ria über die Schulter zu ihm. »Aber dieses Wissen wird dir hier nicht sonderlich viel nützen.«
    Er starrte ihren Hinterkopf

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