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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Charles gut gealtert, aber aus der Nähe wirkte er abgezehrt und ausgemergelt. Er wog fünfzig Pfund weniger, als er hätte wiegen sollen, und seine Kleider waren zwar neu, aber viel zu groß. Als er näher kam, runzelte der Erzmaschinist die Stirn, und Petronus achtete auf seine Hände.
    Das war ein törichter Handel, Vater , signalisierte Charles, sobald die Menge sich weit genug auseinanderbewegt hatte, dass sie einander sehen konnten.
    Petronus neigte leicht den Kopf. Vielleicht , antwortete er. Geht es dir gut?
    Sie trafen sich in der Mitte und umarmten sich kurz. »Mir geht es so gut, wie es mir unter diesen Umständen gehen kann«, flüsterte Charles. Petronus hörte den inneren Aufruhr, der den Mann umtrieb, und fragte sich, was ihm widerfahren war. Charles war Sethberts Gefangener gewesen, und das konnte nicht leicht gewesen sein. Und Ignatio, der Leiter von Erlunds Geheimdienst,
hatte den Ruf, grausam zu sein, obwohl sein Herr zivilisierter als Sethbert zu sein schien.
    Petronus ließ ihn los. »Rudolfo holt dich ab«, sagte er. »Ihm kannst du vertrauen, wie du mir vertraust.«
    Charles nickte. »Sind meine Nachrichten nach draußen gelangt? «
    Petronus blickte auf. Vor ihnen reckten die Soldaten die Köpfe über die Menge und hielten Wacht über die beiden alten Männer. »Zumindest eine hat es geschafft«, erwiderte er, und dann bewegten sich seine Hände. Ist es wahr? Ist Sanctorum Lux das, was ich glaube?
    Die Antwort war eine einfache Geste. Ja.
    Die Wachen setzten sich inzwischen langsam in Bewegung, und Petronus widerstand dem Drang, Charles weiter auszufragen. Die Worte strömten jetzt aus ihm hinaus, noch während er sich für den Rest des Marsches über den Markt stählte. »Du dienst nun dem Zigeunerkönig, Charles«, sagte er mit leiser Stimme, und seine Hände tippten eine letzte Nachricht auf die Schulter des Mannes. Diene ihm gut; erhalte das Licht.
    Er dachte einen Augenblick lang, er würde Tränen in den Augen des alten Erzmaschinisten erkennen, aber er sah nicht genau genug hin. Er wollte es nicht wissen.
    Stattdessen zwang er seine Füße dazu, ihn weiterzutragen, und sein Herz, keine Furcht zu haben. Wenn Esarovs Komplott aufging, würde er schon bald frei sein. Wenn nicht, würde er die Abrechnung bekommen, auf die er gewartet hatte.
    Er schob sich an Charles vorbei und hinein in die Menge, wobei er sorgfältig seine Sätze einübte. Er stieß zu den Soldaten, die ihn mit fester Hand bei den Ellbogen ergriffen, um ihn auf den letzten zwanzig Schritten zu eskortieren. Lysias erwartete ihn, in seinem Gesicht stand tiefe Sorge.
    »General«, sagte Petronus mit einem Nicken. »Ich habe Euch lange nicht mehr gesehen.« Er hatte den Mann zum letzten Mal
bei den Verhandlungen getroffen, mit denen nach Resoluts Selbstmord und Sethberts Machtenthebung der Friedensvertrag abgeschlossen worden war.
    Lysias blinzelte ihn an, und Petronus fragte sich, ob er nach einer passenden Anrede suchte, ehe er es schließlich aufgab. »Hier ist es nicht sicher«, sagte er am Ende und verzichtete auf die Notwendigkeit eines Ehrentitels. »Wir müssen gehen.«
    Petronus lächelte. »Einen Augenblick«, sagte er. Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und wandte sich an die Menge. Schon zerrten die Soldaten an ihm, die an jedem seiner Arme hingen, und er schüttelte ihre Hände gewaltsam ab, während er seine Stimme über den Markt erhob.
    »Hört mich an!«, rief er. »Ich bin Petronus, der letzte wahre Sohn des P’Andro Whym und der letzte Papst des Androfranziner-Ordens, der regierende König von Windwir!« Aus dem Augenwinkel sah er Lysias’ überraschten Blick und fragte sich, ob der General wirklich gedacht hatte, Petronus würde still und bereitwillig in einem von Ignatios vielen Kerkern verschwinden. Er sah auch die Verwirrung auf den Gesichtern der Soldaten, die auf der Suche nach Anweisungen zu ihrem Anführer blickten, aber dies war nicht die Zuhörerschaft, die er im Sinn hatte. Er wandte sich um zu den Marktbesuchern, die mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen starrten. Ihre Stimmen erstarben, während sie den alten Mann in seinen einfachen, von der Reise zerschlissenen Gewändern musterten. »Ich bin Petronus«, rief er noch einmal, »und ich liefere mich freiwillig in die Hände Eures Aufsehers aus, unter Berufung auf meine Rechte als Monarch.«
    Er öffnete den Mund, um noch einmal zu rufen, aber inzwischen hatten die Hände seine Ellbogen wieder fest im Griff, und er wurde

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