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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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wenn wir uns beeilen.«

    Wir werden nicht zum Palast reiten , dachte Jin, sagte es ihm aber nicht. »Ja«, bestätigte sie.
    Schon verfasste sie in Gedanken die Nachrichten, die sie schreiben und verschlüsseln musste. Eine an Winters, damit sie ihre Armee im Norden hielt. Weitere nach Pylos und Turam, damit diese ihre Armeen im Süden beließen. Noch eine an Aedric, damit er Isaak und Neb um jeden Preis aufspürte.
    Und als Letztes würde sie eine Nachricht an Rudolfo schicken, um ihn wissen zu lassen, dass der Zweite Hauptmann Philemus die Streunende Armee nach Westen führte, weil Aedric in den Mahlenden Ödlanden aufgehalten wurde.
    Sie erachtete es nicht als notwendig, ihm mitzuteilen, dass sie vorhatte, ihren Sohn zu nehmen und die Armee mit Lynnae und der Flussfrau im Schlepptau zu begleiten. Es würde ihm nur unnötige Sorgen bereiten zu einer Zeit, in der ein klarer Kopf wichtiger war als alles andere.
    Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart.
    Jin Li Tam erhob sich, und ihre Gedanken wanderten zu den Messern in Rudolfos Schreibtischschublade. Die werde ich auch mitnehmen.
    Sie neigte den Kopf vor Philemus, und er erwiderte die Verbeugung. Sie dachte sorgfältig über ihre nächsten Worte nach – auch darüber, was sie für die heiklen Beziehungen der Bundschaft bedeuten würden, die die Benannten Lande während dieser Zeit der Auflösung lose zusammenhielten. Zwischen den Zigeunern und den anderen Staaten hatte es seit Resoluts sogenanntem Selbstmord keine offenen Kampfhandlungen mehr gegeben. Aber mit den Anschlägen, den gezielten Attacken auf Flüchtlingskarawanen und nun diesem Angriff auf den päpstlichen Sommerpalast war es nur allzu offensichtlich, dass sie mit jemandem im Krieg lagen.
    Das Muster war zu vollkommen, die Strategie besser angelegt, als selbst ihr Vater sie hätte ersinnen können.

    Jin blickte den Offizier an und ließ all ihre Autorität in ihre Stimme fließen. »Magifiziert die Späher«, sagte sie. »Entsendet zwei Einheiten sofort, um Königin Winteria zu helfen. Eine Einheit schickt zum Hütertor, mit Vorräten für eine ausgedehnte Suchexpedition.«
    »Verstanden, edle Dame Tam.« Philemus verbeugte sich noch einmal, und sie erwiderte die Geste.
    Nachdem er gegangen war, öffnete Jin Li Tam die Schublade des Schreibtisches und nahm das alte Paar Spähermesser heraus, mit dem sie in letzter Zeit getanzt hatte. Sie legte den Gürtel ab, behielt ihn aber im Blickfeld, als sie zur Nadel griff und begann, ihre Nachrichten zu verfassen.
    Am längsten brauchte sie für die an Rudolfo, und sie war überrascht, wie sehr es ihr widerstrebte, ihn zu täuschen.
    Aber noch überraschender erschien ihr, wie sehr es ihr widerstrebte, ihn zu enttäuschen.
    Dennoch war sie trotz ihres neuen Lebens die zweiundvierzigste Tochter von Vlad Li Tam, und sie tat wieder einmal das, wofür sie geschaffen war.
    Mit einem lauten Ruf nach den Dienern schnappte sich Jin Li Tam ihren Messergürtel und stürmte in den Gang hinaus. In ihrem Kopf spielten sich Strategien des Krieges und der Staatskunst ab, und ihr Schritt war wohlbedacht und forsch.
    Sosehr ihr auch die Furcht bewusst war, die tief in ihr vergraben lag, spürte sie gleichwohl auch etwas anderes. Sie schämte sich, es zu benennen, weil sie wusste, wie falsch es war, dieses Gefühl zu haben, während sie Dinge vorbereitete, die ihren Sohn so offensichtlich einer großen Gefahr aussetzen würden. Sie schauderte dabei, aber das Gefühl blieb.
    Es war Vorfreude.

Kapitel 16
    Neb
    Rufellos Höhle lag in dem felsigen, von grauem Buschwerk bedeckten Vorgebirge gleich jenseits des gläsernen Waldes, der einst Ahm gewesen war. Von Nebs Standpunkt aus wirkte sie wie ein kleiner Einschnitt im Granit.
    Die Weg dorthin war schwieriger gewesen, als er gedacht hatte, wie seine zerfledderte Uniform und die etwa ein Dutzend Schnitte auf seinem Körper bewiesen. Renard hatte versucht, ihm beizubringen, wie man sich durch den rasiermesserscharfen Wald bewegt, ohne den Stich des salzigen Glases zu spüren, aber wie er festgestellt hatte, brauchte man dazu einiges an Übung.
    »Ich habe mich jahrelang geschnitten«, hatte Renard ihm schmunzelnd anvertraut, als sie einmal stehen geblieben war, um einen besonders garstigen Schnitt an Nebs Oberschenkel zu verbinden.
    Anschließend waren sie langsamer gelaufen, allerdings hatte Renard nie das ausgesprochen, was Nebs innere Stimme ihm längst zuflüsterte: Sie entwischen uns.
    Wenigstens hatte Isaak

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