Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
die sie von einem Gebüsch in der Nähe abhackten, und drangen in Rufellos Höhle vor. Hin und wieder blieben sie stehen, um zu lauschen, und mindestens zweimal ließ Renard Neb mit den Fackeln zurück, um vorauszuschleichen und die Dunkelheit auszuspähen, die sich am Ende des Ganges zu einer riesigen Höhle erweiterte.
    Aber trotzdem war sie leer. Vollkommen und ganz und gar leer.
    Renard kratzte sich am Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Es waren keine Karawanen mehr hier. Ich hätte sie gesehen.«
    Neb blickte ihn an und sah die Bestürzung auf seinem Gesicht. »Wer kannte die Zahlen sonst noch?«
    »Ich«, sagte Renard und hängte sich seine Büchse wieder um. »Mein Vater sicher auch. Eine Handvoll anderer … die alle in Windwir gestorben sind, möchte ich wetten.«
    Neb dachte einen Augenblick nach. »Hätten sie aus einer anderen Richtung kommen können?«
    »Falls jemand überlebt hat, der die Zahlen kannte?« Renard neigte den Kopf. »Sicher, aber weshalb? Die Ödlande erstrecken sich um uns herum schier endlos in alle Richtungen. Das Meer liegt zehn Tage im Süden, wenn man mit der Wurzel läuft, und die Salzdünen an der Küste machen den Weg ziemlich beschwerlich.
« Er breitete die Arme aus. »Sie hätten Wagen gebraucht, um all das Zeug wegzuschaffen, aber es ist absolut unmöglich, mit einem Wagen durch die Dünen zu kommen. Bei den Höllen«, sagte er, »hier wurden Wagen aufbewahrt , aber nicht annähernd genug, um alles wegzubringen, was hier eingelagert war.«
    Ein Gedanke kam Neb. »Was war sonst noch hier?«
    Renard zuckte die Schultern und begann mit einer Auflistung. »Alles. Kleider. Unverderbliches. Werkzeuge. Waffen. Karten.«
    Alles, was man benötigt, um eine Expedition auszurüsten , dachte Neb. Und jemand hatte sich Zutritt verschafft und sich die Güter angeeignet. Und nicht nur ein paar davon – sie hatten alles mitgenommen. Renard hatte ihm vor nur zwei Tagen erklärt, dass das gefährlichste Raubtier der Ödlande immer noch der Mensch war. Neb fragte sich unwillkürlich, ob dies vielleicht nur das Werk gewöhnlicher Diebe war, obwohl das keine Erklärung für das Schloss lieferte. Rufelloschlösser waren kaum zu knacken. Wer immer das getan hatte, kannte entweder die Zahlen oder hatte irgendeine Methode, um sie herauszufinden, was Neb sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte. Die Zahlenfolge für ein Schloss wäre vielleicht in einer gewissen Zeitspanne lösbar, aber nicht für fünf oder sechs Schlösser. Es würde ein ganzes Leben lang dauern.
    Renard hatte sich eine Weile nachdenklich hingekauert, dann straffte er sich. »Ich will mir das genauer ansehen.«
    Sie zündeten eine neue Fackel an und arbeiteten sich zur gegenüberliegenden Wand vor. Sie gingen langsam, untersuchten auch den Boden, und Neb fiel auf, dass die Höhle nicht ganz so leer war, wie sie angenommen hatten. Hier und dort entdeckte er verstreute Nägel und Holzsplitter von Kisten, die inzwischen verschwunden waren, und einmal fanden sie einen zerschlissenen Talar, der zusammengeknüllt und weggeworfen worden war. Trotzdem nichts, das sie weiterbrachte.
    Sie tasteten sich weiter, gingen methodisch jeden Bereich der
Höhle ab, und als sie die tiefsten, dunkelsten Ecken erreichten, entdeckte Neb den Mehlsack.
    Er war offenbar heruntergefallen und aufgeplatzt, wobei er den Boden mit einem halben Fingerbreit des feinen, weißen Puders überzogen hatte. Als Neb ihn sah, wäre er beinahe hineingetreten und fing sich gerade noch. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er hinab.
    In dem Mehl war ein Fußabdruck. Er ging in die Hocke und beugte sich darüber, um ihn zu untersuchen. »Ich habe etwas gefunden.«
    Er hörte Renard kommen und sah noch genauer hin, verfluchte dabei innerlich die flackernde Fackel, die mit seinen Augen Schindluder trieb. Die tanzenden Flammen verliehen dem Fußabdruck etwas Unmenschliches, einen Umriss, wie er ihn noch nie von einem Stiefel oder Fuß gesehen hatte. Außer …
    Neb runzelte die Stirn. »Ein Mechoservitor war in der Höhle.«
    Renard kam näher und ging ebenfalls in die Hocke, dann musterte er den einzelnen Fußabdruck. »Die Whymerer bringen ihre Spielzeuge nicht in die Ödlande«, sagte er.
    Dennoch war der Abdruck da, und Neb dachte an Isaak und die anderen, mit denen er in den letzten sieben oder acht Monaten so viel Zeit verbracht hatte. Er erinnerte sich an die aufblitzenden Augenschließen, das Zischen des austretenden Dampfes, an die von Metallhänden gehaltenen

Weitere Kostenlose Bücher