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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Speisen und griff stattdessen nach der Wasserkaraffe, die er kaum heben konnte.
    Dann ließ er sich wieder auf den Boden sinken, lehnte sich in Sichtweite der Tür an die Wand und nippte Wasser aus der Karaffe, die er mit beiden Händen festhielt.

    Den Vater und den Großvater mit der zerrissenen Seele hatte er mittlerweile abgelegt wie ein schlecht sitzendes Gewand. An ihre Stelle war ein kalter Fluss in Menschengestalt getreten, der nur auf ein Ziel zufloss – sich an seinen Peinigern zu rächen, an den Mördern seiner Familie.
    Um das zu tun, musste er fliehen. Er befand sich nicht in einem Zustand, in dem er sofort Rache üben konnte. Er konnte kaum gehen. Er hatte vor einiger Zeit die Hoffnung aufgegeben, seine Familie aus den Klauen dieses Y’Ziritischen Wahnsinns retten zu können. Bei der Geschwindigkeit, mit der sie vorgingen, würden sie alle tot oder – im Falle der jüngeren Kinder – gezeichnet und verschifft sein, bis er überhaupt die Kraft fand, irgendetwas dagegen zu unternehmen.
    Und er wusste auch, dass niemand nach ihm suchen würde. Wer von seiner Familie und der Eisernen Armada noch übrig sein mochte, hatte sich gewiss an die Notfallprotokolle gehalten und war an einen sicheren Ort geflohen, um die Lage neu einzuschätzen; außer Ria sprach die Wahrheit, außer sein erster Enkel stand gerade kurz davor, auch die anderen gefangen zu nehmen.
    Das ließ Vlad Li Tam nichts anderes übrig, als durchzuhalten und zu warten, bis seine Zeit gekommen war. Für all das würde er Rache nehmen. Er würde es hundertfach vergelten.
    »Jeder hat eine Schwäche, Vlad«, hatte sein Vater zu ihm gesagt. »Wer keine hat«, hatte er hinzugefügt, »dem kannst du eine einpflanzen, wenn du geduldig und schlau bist.«
    Dieser Tage dachte er oft an seinen Vater. Er war ein Quell seines Hasses und seiner Wut. In jenen wenigen Augenblicken der Klarheit, die er sich gestattete, konnten ihm etliche Worte seines Vaters als Hinweise in diesem whymerischen Irrgarten dienen, wie er festgestellt hatte.
    Meine Familie ist meine Schwäche , das erkannte Vlad Li Tam inzwischen. Aber noch deutlicher erkannte er, dass es eine
Schwäche war, die sein Vater in ihm angelegt hatte, um Vlad für genau diesen Tag vorzubereiten.
    Anfangs hatte es ihm den Mut geraubt, wie tief dieser Verrat wirklich ging. Aber inzwischen war er erzürnt darüber, und die Wucht dieses Zorns beflügelte ihn, wann immer sie ihn überrollte und dabei den Nebel und den Kummer verscheuchte.
    Er dachte wieder an den dünnen Band, den sein erster Enkel Mal Li Tam ihm gezeigt hatte. Dein eigener Vater hat dich verraten.
    Aber nicht nur mich , erkannte Vlad Li Tam. Während heiße Tränen des Zorns seine Wangen hinabrannen, sah er hinter seinen geschlossenen Augen die Verheerung von Windwir und erkannte darin das Werk seines Vaters.
    Er hat uns alle verraten.
    Vlad Li Tam dämpfte seinen Zorn und nahm noch einen Schluck Wasser.
    Morgen, wenn jene starken Hände nach ihm griffen, würde Vlad Li Tam wieder fort sein. Das gebrochene, gequälte Tier würde an seine Stelle treten. Für den Augenblick musste er ruhen.
    Als er schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel, war er umringt von seinen toten Kindern, und ihre Lippen bewegten sich, während unter seinem aufmerksamen Blick und dem Messer des Schnitters ihre letzten Worte aus ihnen hervorquollen.
    Selbst in seinen Träumen brachten ihn ihre Gedichte zum Weinen.
    Rudolfo
    Rudolfo legte die letzte Seite aus Petronus’ Bündel weg und rieb sich die Augen. Er hatte gelesen, was er lesen konnte; natürlich war keine der Notizen des früheren Papstes zu entziffern gewesen,
aber die anderen Papiere ergaben einen vollkommen klaren Sinn.
    Oh ihr Götter, was haben sie getan? Als General, der aus erster Hand wusste, was Xhum Y’Zirs Bannspruch anrichten konnte, sah Rudolfo deutlich, dass die Karten und Planzeichnungen der Androfranziner das Werk von furchtsamen Strategen waren, die verzweifelt nach einer Methode gesucht hatten, die Neue Welt zu schützen.
    Sethbert hatte einen Mechoservitor benutzt und ihn mit der Macht ausgestattet, diesen verheerenden Bannspruch zu wirken. Aber die Androfranziner hatten vorgehabt, ein Dutzend solcher Waffen zu fertigen und sie an strategischen Schlüsselpunkten entlang der Küsten der Benannten Lande in Position zu bringen.
    Es gab nur einen vernünftigen Grund, so etwas zu tun: aus Angst vor einem Angriff.
    Dennoch war es für den verrückten entrolusischen Aufseher kein allzu weit

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