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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Sie war auf der Suche nach einem
Sinn und damit beschäftigt, die Fakten aus diesem verwirrenden Schlamassel herauszusortieren: Die Träume waren wirklich gewesen. Die Zungenrede war wirklich gewesen. Und nun hatte sich alles verändert. Sie wollte wissen, weshalb, und sie wollte wissen, was sie nun glauben sollte. Sie konnte nicht einmal die Leidenschaft aufbringen, zornig oder traurig darüber zu sein.
    Irgendwie wusste Winters, dass sie diesen Verlust aushalten und darin einen Schatz finden würde. Vielleicht würde etwas Besseres als der Glaube, den sie verloren hatte, an seiner Stelle anwachsen.
    Vielleicht ist es mir bestimmt, eine Zigeunerbraut zu sein; vielleicht ist das schon immer die verheißene Heimat gewesen. War das so schlecht? Und war es falsch, darauf zu hoffen? Und zu hoffen, dass sie eines Tages ein Kind haben würde, das lachte und im Schlaf vor sich hin blubberte?
    Ein Kind mit Augen, die so stechend blau wie ein Sommertag über dem Drachenrücken waren.
    Wie Nebs Augen.
    Seufzend schlüpfte Winters zurück in ihr Zelt und fiel in einen leichten Schlaf, während ihre Nase wegen des sauberen Geruchs der Seife auf ihrer Haut und in ihrem Haar zuckte. Als ihr Schlaf tiefer wurde, träumte sie von ihrem weißhaarigen Jungen, obwohl es nicht er war, sondern nur eine Erinnerung an ihn. Er hielt sie am Lagerfeuer fest und sagte ihr, dass beizeiten alles wieder gut und schön werden würde.
    Und darüber sang ein blaugrüner Mond sie in den Schlaf.
    Petronus
    Petronus verließ das Lager in den frühen Stunden, während der Himmel noch dunkel war und die Sterne und der Mond von
dünnen Wolkenfetzen verschleiert wurden. Die Sonne stand rot und tief über dem Hüterwall, als er innehielt und über den Hügel auf die schneebedeckten Ruinen von Windwir hinabblickte. Er reiste mit leichtem Gepäck, einem Pferd und einem Bündel, die beide mit dem Wappen der Neun Wälder versehen waren.
    Er hatte sich an diesem Nachmittag kurz mit Rudolfo getroffen, aber der Zigeunerkönig war in Gedanken versunken gewesen, merklich zerstreut wegen der vor ihm liegenden Herausforderung und ausgemergelt. Sie hatten sich kurz unter vier Augen unterhalten, und als Rudolfo vorgeschlagen hatte, ihn heimlich in den Wald bringen zu lassen, hatte Petronus den Kopf geschüttelt und den Zigeunerkönig bedrängt, ihm zu geben, was er brauchte, um die Benannten Lande schnell verlassen zu können. Zögerlich hatte er seinen Stallknecht und einen Nachschub-Offizier kommen lassen, der das Vorstellungs- und Empfehlungsschreiben für ihn aufsetzen konnte.
    Rudolfo hatte sich sehr bemüht, dachte Petronus, nicht auf die gezackte Narbe zu blicken. Aber letztendlich hatte er sie doch angestarrt, die Augen voller Unglauben. Bei der Erinnerung daran runzelte Petronus die Stirn.
    Eine Erkenntnis erfasste ihn, als er sich auf sein Pferd setzte und auf Windwir und die Lager darum herum hinabblickte. Ich sehe diesen Ort vielleicht niemals wieder. Ein Teil von ihm war darüber betrübt, aber es gab einen anderen Teil, der Erleichterung verspürte. Dies war das erste Mal, dass er seit dem Begraben der Toten zurückgekehrt war. Über diese Ebene zu wandern, den Schutt zu sehen, der unter dem Schnee begraben lag, und die kleinen Hügel über den Gräben, die sie mit Windwirs geschwärzten Knochen gefüllt hatten, war eine kalte Klinge, die tief in ihn eindrang.
    Weiter unten bemerkte er eine Gestalt neben dem Fluss gleich nördlich des Lagers. Von seinem Aussichtspunkt aus konnte er nicht sagen, wer es war, aber es schien eine Frau zu sein. Sie zog
ihre Kleider aus und watete in das kalte Gewässer hinaus, wo sie untertauchte und sich eilig abschrubbte.
    Seine Hände bewegten sich geistesabwesend zu seinem Herzen, wo er das wulstige Narbengewebe spürte. Ich wünschte, ich könnte mir das abwaschen.
    Aber das konnte er nicht. Er war für immer gezeichnet, von einem Merkmal, das ihn zusammen mit der Narbe auf seinem Hals daran erinnerte, dass ihm das Leben genommen und wiedergegeben worden war – eine größere Abrechnung, als er es je hätte ahnen können. Die Signatur eines dunklen Meisters auf seinem noch dunkleren Werk. Ein lebendes Wunder, das Zeugnis von der Macht der Hexenkönige ablegte.
    Nun ging er fort, mit nicht mehr als diesen Narben und ein paar Kleidungstücken, und das führte ihn zurück zu einem anderen Tag, an dem er allein fortgeschlichen war. An dem Tag, an dem er Sethbert getötet und Vlad Li Tams Beweis einer Bedrohung für Windwir

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