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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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blickte zu Neb auf, der Wind strich durch sein Haar, und sie drückte ihm die Hand. »Er wird im Herzen von Rudolfos whymerischem Irrgarten ruhen, im Schatten des Bibliothekshügels.«
    T’Erys Whym hatte während seines kurzen Papsttums in der Neuen Welt die Labyrinthe populär gemacht, doch kannte Winters auch ihr dunkles Vermächtnis: ein kreisförmiger Irrgarten, aus dem man nur entkam, wenn man den Weg zurückging, den man gekommen war, oder den Schmerz auf sich nahm, über die Dornen zu klettern, um seine verborgenen Geheimnisse zu entdecken. Eine wunderbare Beschäftigung für die Schnitter der Alten Zeit. Aus den Ritualen der Hexenkönige, deren Ärzte ihre Messer zum bloßen Vergnügen einsetzten oder um durch Blutmagie
verstärkte Pakte zu schließen, hatten sich mit der Zeit die Anatomen der Bußfertigen Folter entwickelt, die ihre Messer zur Erlösung benutzten.
    Und im Herzen dieses whymerischen Irrgartens würde Hanric ruhen.
    Für Winters war es ein Vorbote der dornigen Wälle, die auf sie warteten. Wenn Hanrics Seele den Weg in ihre neue Heimat gefunden hatte, würde sie ihr vielleicht einen Teil seiner Stärke und seines Mutes für ihren blutigen Aufstieg schicken.
    In ihrem Herzen wusste Winters, dass ihre eigenen Kräfte allein nicht reichen würden. Sie biss sich auf die Lippen, ging hinaus in den Schnee und versuchte, nicht zu weinen.

Kapitel 5
    Petronus
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Petronus aus seiner Hütte ging und seine Vögel freiließ. Sie flogen auf, einen ganzen Regenbogen aus Garn um die Füße geknüpft, und trugen die Nachricht von dem Angriff und ihrer neuen Vorgehensweise dem Netzwerk zu, das er in den letzten sieben Monaten aufgebaut hatte. Von nun an würden die Nachrichten an dieser Stelle lediglich neu verschlüsselt und dann an die Schaltstellen weitergeleitet werden, die Grymlis vorgesehen hatte. Petronus beobachtete, wie der dunkle Winterhimmel die Vögel und die vielfarbigen Nachrichten, die sie trugen, verschluckte. Schwarzes Garn für Gefahr war es bei manchen, das blaue Garn der Erkundigung bei anderen und bei wieder anderen das Rot des Krieges. Die einzige Farbe, die fehlte, war das Grün des Friedens.
    Der schwarze Himmel hellte sich bereits auf, als er seine Ausrüstung und seinen Beutel aufhob, um beim Bootshaus am Ufer zu den Männern zu stoßen.
    Grymlis und einer der anderen hatten ihre Magifizienten abklingen lassen. Die restlichen beiden hatten die Pulver von Neuem angewendet. Der alte Hauptmann wirkte zornig und schalt mit leiser Stimme: »Was soll das heißen, er ist tot?« Er sah auf und bemerkte Petronus’ Ankunft. »Wie ist das passiert?«
    »Ich weiß es nicht, Hauptmann«, antwortete der Graue Gardist.
»Ich bin hineingegangen, um ihn zum Verladen fertig zu machen, und er war tot. Kalt wie Schnee.«
    Grymlis seufzte. »Dann leg ihn ins Boot. Wir werden ihn auch mitnehmen. Wir müssen einen Blick auf ihn werfen, sobald die Wirkung der Magifizienten verflogen ist.«
    Petronus gesellte sich zu ihnen und legte keinen Widerspruch ein, als einer der Soldaten ihm seine Reiseausrüstung abnahm. Als ein weiterer nach seinem Beutel griff, sträubte er sich jedoch. »Das behalte ich«, sagte er. Er blickte Grymlis an. »Unser Gefangener ist tot?«
    Grymlis nickte. »Ja.« Der alte Graue Gardist sah müde aus, seine Augen waren von den Magifizienten gerötet und glasig. Sein Bart und sein Haar waren länger als bei ihrer letzten Begegnung. Und er trug anstelle der grauen Uniform der androfranzinischen Armee die unauffällige Kleidung eines gewöhnlichen Arbeiters – Hemd und Hose. Natürlich verrieten die Spähermesser an seinem Gürtel und das Langschwert, das er sich über die Schulter geschlungen hatte, dass er alles andere als ein gewöhnlicher Arbeiter war. »Vielleicht Gift«, fügte er hinzu. »Obwohl wir nichts gefunden haben, als wir ihn durchsucht haben.«
    Das schlafende Dorf um sie herum regte sich. Petronus’ Anlegesteg, sein Bootshaus und seine Hütte befanden sich am Rande der kleinen Stadt, aber schon kündigten verstreute Lichter den neuen Tag an, und ein paar Boote glitten lautlos in die Bucht, um vor allen anderen an der Arbeit zu sein. Petronus erwog, eine Nachricht zurückzulassen, war aber nicht sicher, was er schreiben sollte. Letztendlich entschied er sich dafür, gar nichts zu schreiben. Wenn die Ereignisse der letzten Nacht nur der Anfang waren, dann konnte er sich gut vorstellen, dass es für seine Nachbarn umso besser war,

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