Lobgesang
Übertreibung war!«
Petronus’ Lachen klang eher wie ein Bellen. Als er die Hände ausstreckte, berührte er die kalte, nasse Bordwand eines unsichtbaren hölzernen Schiffes. »Ihr wart es doch, der mich in der Nacht nach meinem Begräbnis an die Smaragdküsten gezaubert hat.« Er starrte die Luft über sich an, woher die Stimme zu kommen schien.
»Aye«, sagte der Pirat. »So scheint es. Und damals habe ich keine Fragen gestellt.«
Grymlis erhob sich. »Ich bin sicher, wir haben Euch ziemlich gut dafür bezahlt.«
Doch wer bezahlt Euch jetzt? Nachdem sein Bedarf an den technischen Wundern, die ihm die Androfranziner für den gelegentlichen Einsatz seines Schiffes überließen, gedeckt gewesen war, hatte Merrique sie jedes Mal ein kleines Vermögen gekostet, wenn sie ihn anheuerten. Und als Petronus den Rumpf der alten, magifizierten Schaluppe berührte, begriff er, weshalb Rafe Merrique einen so hohen Preis für seine Dienste verlangte. Es war absolut ausgeschlossen, dass der alte Pirat ihnen lediglich einen Gefallen tat. Petronus hatte immer das Gefühl gehabt, dass er die Geschäfte mit Merrique stets zu dessen Gunsten geführt hatte, aber diese gute Behandlung lag mittlerweile dreißig Jahre zurück, und es war kaum denkbar, dass er ihnen jetzt ohne Gegenleistung
half. Nein, jemand bezahlte ihn gut, damit er in diesem Augenblick an diesem Ort war.
Er erhaschte Grymlis’ Aufmerksamkeit und zwang seine Hände dazu, sich schnell zu bewegen. Wer bezahlt ihn?
Grymlis’ Hände bewegten sich noch schneller. Verbündete im Delta.
Petronus blinzelte, und weil er seine Hände vergaß, fragte er laut zurück: »Aus dem Delta?« Er hatte Sethbert eigenhändig vor tausend Androfranzinern getötet. Er hatte den entrolusischen Abgesandten von der Teilnahme ausgeschlossen, hatte alle Bitten von Sethberts Schwester zurückgewiesen – nicht aus Grausamkeit, sondern aus Eigennutz, denn er hätte es nicht ertragen, ihren Blick auf sich zu spüren, wenn er Sethbert am Ende seiner Scheinverhandlung ermordete.
Verbündete im Delta.
Eine weitere Stimme mischte sich ein. »Haltet Euch fest, alter Mann. Ich lege Eure Hände auf die Leiter.« Schwielige Hände packten ihn an den Armen und zogen ihn vorwärts. Petronus spürte eine Strickleiter und kletterte die schwankenden Sprossen hinauf. Als er oben war, griffen starke Hände nach ihm und hievten ihn auf das unsichtbare Deck.
»Willkommen auf der Bundhai «, sagte Rafe Merrique. »Ich stehe Euch zu Diensten, Vater Petronus.«
Petronus sah nichts und merkte, wie er wegen des magifizierten Schiffes und seiner unsichtbaren Mannschaft von einem plötzlichen Schwindelgefühl ergriffen wurde. Er fiel nach vorne und sah die Wellen weit unter seinen Füßen auf sich zukommen. Hände stützten ihn, und Merrique lachte. »Ihr solltet die Augen schließen, bis Ihr unter Deck seid. Auf Euch und die anderen warten Unterkünfte und ein Frühstück. Euer Wohltäter hat dafür gesorgt, dass Euch jede Annehmlichkeit zur Verfügung steht.« Petronus kniff seine Augen fest zu und vertraute auf das weitere Paar Hände, das jetzt seine wankenden Schritte über das Deck
lenkte. Als er durch die Deckluke geschoben wurde, öffnete er die Augen und stellte fest, dass er über ein paar Stufen hinab auf einen Plüschteppich und den Anfang eines mit kunstvollen Einlegearbeiten verzierten Ganges starrte. Kein Vergleich mit dem spärlich eingerichteten Schiff, an das er sich aus der Nacht seiner Flucht erinnerte. Sie hatten ihm die Haare gefärbt und den Bart rasiert und ihn als wandernden Gelehrten ausgegeben, der nicht belästigt werden wollte – eine weit verbreitete Deckung für die Agenten der Tam. Dann hatten sie ihn zu dem Inselhafen gebracht, der den Besitztümern des Hauses Li Tam an der Inneren Smaragdküste am nächsten lag. Es hatte auf dieser Reise keinerlei Bequemlichkeiten gegeben, von Teppichen und dekorativer Holzausstattung ganz zu schweigen. Merrique musste es in den vergangenen Jahren weit gebracht haben.
Mädchen in Seidenkleidern, mit dunkler Haut und einem breiten, aufrichtigen Lächeln, begrüßten ihn am Fuße der Treppe und neigten sittsam die Köpfe. Schweigend führten sie die Männer den Gang entlang bis hin zu mehreren offen stehenden Türen. Als sie Petronus in seine Kajüte brachten, sah er, dass seine Sachen bereits an Bord waren. Die Kajüte selbst war gemütlich, ausgestattet mit einer Täfelung aus poliertem Holz und Gemälden aus den Tagen der Zusammenkunft,
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