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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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gereimten Singsang gesprochen, »dann lies das Blatt.«
    Und selbst jetzt griff Rudolfo zuerst in den Futterbeutel und zog eine Fingerspitze voll der behandelten Körner heraus, die ihnen Schnelligkeit und einen verblüffenden Orientierungssinn verliehen. Er füllte die winzige Menge in die kleine Futterschale und fügte noch eine größere Prise aus einem anderen Sack hinzu. Mit dem kleinen Finger vermischte er die Körner und stellte das Schälchen in den Käfig. Dann füllte er eine kleine Holzschale mit Wasser und stellte sie neben die Körner.
    Anschließend schloss er den Käfig und hob die Nachricht auf. Er zog das Garn zwischen Zeigefinger und Daumen hindurch und suchte nach eingeknüpften Worten. Nichts. Als Nächstes
öffnete er vorsichtig die Nachricht und las sie einmal durch. Es war ein Brief an den Fischer Petros, es ging um ein verliehenes Buch – Eine Exegese der metaphysischen Evangelien des T’Erys Whym vom Gelehrten Tertius –, das noch in diesem Monat mit einem Schiff aus Carthas im unteren Dreiflussdelta mit Kurs auf Caldusbucht zurückgebracht werden würde. Die Nachricht war in der üblichen Geheimschrift verfasst und erkundigte sich nach Petronus’ Befinden, außerdem enthielt sie ein paar Zeilen zu den »jüngsten Unruhen im Delta«, aber alles in allem fand sich darin nichts sonderlich Ergiebiges. Aber die Verschlüsselung war da, und obwohl Rudolfo sie sehen konnte, deutlicher als deutlich, konnte er sie nicht lesen.
    Er blickte sich um und entdeckte keine weiteren Briefe. Nur leeres Pergament. Die Streichholzschachtel und der Metalleimer daneben auf dem Boden erklärten, weshalb. Rudolfo bückte sich, schnupperte an dem Eimer und verzog die Nase bei dem Geruch nach Fischinnereien und Rauch.
    Mit der Nachricht in der Hand ging er zur Rückseite des Bootshauses, wo sein Arzt sich über die beiden Patienten beugte. Rudolfo legte dem Mann eine Hand auf die Schulter und tippte eine Nachricht in den harten Muskel, den er dort spürte. Prognose?
    Der Arzt richtete sich auf und übergab den dampfenden Krug, den er in der Hand hielt, an einen der Späher, die neben ihm standen. Der Späher kniete sich hin, tauchte einen Baumwollverband in das bitter riechende Elixier und betupfte damit die Lippen des bewusstlosen Grauen Gardisten. »Sie werden überleben, aber es geht ihnen nicht gut. Sie müssen sich ausruhen, an einem wärmeren, trockeneren Ort.«
    Derjenige, der die Tür geöffnet hatte, wurde von einem Hustenkrampf geschüttelt, während er immer noch versuchte, sich aufzurichten. »Der Vogel«, sagte er, seine Augen wild und weit aufgerissen.

    »Der Vogel ist in Sicherheit, und es geht ihm gut«, erwiderte Rudolfo. »Aber Ihr seid hier weder sicher, noch geht es Euch gut. Die Pulver zerstören Euch, Ihr braucht bessere Pflege und mehr Ruhe, als dieser Schuppen Euch bieten kann.« Rudolfo deutete mit dem Kinn auf die Ställe hinter sich. »Ihr betreibt einen Nachrichtenposten«, sagte er. »Weshalb?«
    Der Mann schluckte, während er mit seinen Augen die Nachricht in Rudolfos Hand fixierte. »Ich stehe unter Grymlis’ Befehl.«
    Rudolfo beugte sich vor. »Und was für ein Befehl ist das genau? «, fragte er.
    Die Augen des Mannes trübten sich wegen der Anstrengung, die ihm das Sitzen bereitete. Er zitterte und fiel wieder auf den Rücken. »Ich kenne die Geheimschriften nicht«, sagte er. »Ich kann Euch nicht verraten, was ich nicht weiß.«
    Rudolfo knirschte mit den Zähnen. Diese verdammte Paranoia, verursacht durch die Pulver in Zusammenwirkung mit der üblichen Vorsicht eines getreuen Mannes, strapazierte seine Geduld immer mehr. »Ich habe nicht nach den Geheimschriften gefragt. Ich habe nach Euren Befehlen gefragt.« Er zwang sich zu einem ruhigen Ton und senkte die Stimme. »Ich bin ein Freund des Ordens«, sagte er. »Wenn Ihr klar denken könntet, wüsstet Ihr das.«
    Der Mann lachte. »Der Orden hat keine Freunde.«
    Rudolfo seufzte. »Also gut. Ihr lasst mir keine andere Wahl.« Er pfiff, und der Erste Leutnant Jaryk trat ein, sein Gesicht von Sorge gezeichnet. »Schafft Späheruniformen für diese Männer heran, und wenn sie angezogen sind, holt die Pferde. Zwei der Unseren werden mit mir hierbleiben, um sich um die Vögel zu kümmern. Ich hoffe, ich kann das Rätsel auf eigene Faust lösen.« Er deutete auf die beiden Grauen Gardisten. »Die beiden schafft ihr in das Gasthaus von Kendrick. Bringt sie dort für drei Wochen unter, nennt meinen Namen, wenn der Wirt nach der

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