Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
das sich in seinen Schädel gebrannt hatte, und er merkte, wie ihn Schatten einhüllten. Unter seinen Lederstiefeln spürte er feste Steinstufen. Der Druck der Körper um ihn herum bewegte sich abwärts wie ein Fluss, der ihn in seiner Strömung weitertrug; kühle Luft leckte ihm über Gesicht und Arme.
    Immer wieder bogen sie ab wie in einem whymerischen Irrgarten aus Gängen. Irgendwann wurde er von den anderen getrennt und öffnete den Mund, um zu protestieren. Ehe er etwas sagen konnte, lag die Hand wieder auf seiner Schulter. Euer Gastgeber wünscht ein paar Minuten mit Euch allein.
    Nachdem er eingeweiht war, ließ Petronus zu, dass er tiefer in den Irrgarten geführt wurde.
    Schließlich hielten sie an, Hände griffen an Petronus’ Hinterkopf, und weitere schoben ihn in einen Stuhl. Nachdem die Augenbinde abgenommen war, brannte das helle Licht in seinen Augen, und er blinzelte.
    »Als ich zehn Jahre alt war«, ließ sich eine Stimme von der gegenüberliegenden Seite des Raumes vernehmen, »habe ich
Euch in Carthas im Jahr des Fallenden Mondes eine Rede halten hören. Zwei Jahre später habe ich Euren Tod betrauert und mit dem ganzen Eifer eines zwölfjährigen Jungen Euren Attentätern Rache geschworen.« Eine Pause entstand. »Als ich mein Gelübde vor dem Orden ablegte, tat ich es unter Eurem Porträt in der Großen Bibliothek.«
    Petronus blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ein untersetzter Mann mit einem verwahrlosten Bart und einer Brille lächelte ihn an. »Ihr seid noch magifiziert«, sagte der Mann. »Dafür möchte ich mich entschuldigen, Vater. Ich weiß, dass das … unangenehm ist.«
    Petronus öffnete den Mund und merkte, dass er vollkommen ausgetrocknet war. Er leckte sich über die Lippen. »Dann seid Ihr ein Androfranziner?«
    »Das war ich.« Das Lächeln verblasste. »Jetzt hüte ich ein anderes Licht.«
    Petronus wühlte in seinem Gedächtnis nach Auszügen der Geheimschrift, die die Vögel überbracht hatten. Wie lautete noch sein Name? Plötzlich fiel es ihm ein. »Ihr seid Esarov der Demokrat. «
    Er nickte. »Der bin ich.«
    Petronus lachte leise. »Ihr seid sehr fleißig gewesen. Wie viele Stadtstaaten nehmen inzwischen an Euren Versammlungen teil?«
    »Gestern waren es vier.«
    Petronus erinnerte sich an die Erklärung, die Esarov und seine Spießgesellen an der Tür des Marionettenrates der Statthalter des Aufsehers angeschlagen hatten. Es war ein mutiger Schritt gewesen, so unmittelbar nach Sethberts Angriff auf Windwir und dem Krieg, den dieser ausgelöst hatte. Mittlerweile war der Krieg verloren, die Wirtschaft lag darnieder, und jener kleine Samen der Unruhe war zu einem Wald der Revolution angewachsen, an dessen vorderster Front dieser Mann – der Verfasser der Erklärung – stand.

    Petronus blickte sich um. Es war eine einfache Kammer – ein Arbeitszimmer, dessen eine Seite mit Bänken und Werkzeugen übersät war, die andere mit Bücherstapeln und Papieren. In der Mitte befand sich ein kleiner, aufgebockter Tisch mit einer bescheidenen Obstschale und einem halben Laib Brot darauf. Eine glitzernde Wasserkaraffe stand neben ein paar leeren Bechern. Esarov winkte zu Tisch. »Bitte«, sagte er.
    Petronus’ Magen rebellierte beim Anblick der Speisen. »Vielleicht später«, sagte er. »In der Zwischenzeit habe ich Fragen.«
    Esarov lächelte. »Ich beantworte sie gerne.« Er zwinkerte ihm zu. »Ah, langsam werdet Ihr schärfer.«
    »Ihr habt mir hier eine Zuflucht geboten, einen Ort, an dem ich womöglich sicher bin, oder auch nicht.« Sein Blick verengte sich. »Weshalb?«
    »Wir haben durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit ein gemeinsames Interesse«, sagte Esarov. »Ich denke, wir teilen den Verdacht, dass es eine größere Bedrohung gibt.«
    Woher weiß er das? Petronus sagte nichts und wartete darauf, dass sein Gastgeber fortfuhr.
    Esarovs Stimme senkte sich. »Ich weiß von dem zweiten Netzwerk der Tam«, sagte er. »Ich weiß von den gefälschten Dokumenten, die Sethbert in den Krieg geführt haben.«
    Petronus blinzelte, dankbar, dass die Magifizienten seine Augen verschleierten. »Gefälscht?«
    Der Revolutionär nickte. »Vom Haus Li Tam eingeschleust«, sagte Esarov. »Vom selben Netzwerk, das immer noch in den Benannten Landen operiert, trotz Vlad Li Tams plötzlichem Fortgang. «
    Ein weiteres Netzwerk , dachte Petronus. Esarov gab dem Haus Li Tam die Schuld für die Verheerung von Windwir. Für einen Außenstehenden mochte das einen Sinn

Weitere Kostenlose Bücher