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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Bezahlung fragt.« Er wedelte mit der Hand. »Sagt ihm die Wahrheit – dass
sie zu lange magifiziert waren und vor Überanstrengung halb verrückt sind.« Sein Blick verengte sich. »Sie sollten im Haus festgehalten werden, bis sie wieder klar denken können.«
    Der Blick des Grauen Gardisten wurde panisch. »Nein, Herr«, sagte er. »Wir können unseren Posten nicht verlassen, wenn …«
    Rudolfos Stimme senkte sich beinahe zu einem Flüstern. »Ihr werdet Euren Posten verlassen, so oder so. Entweder verlasst Ihr ihn und begebt Euch in die Obhut meiner Zigeunerspäher – nachdem Ihr sie lückenlos über alles unterrichtet habt –, oder Ihr werdet ihn auf einem deutlich zielloseren Weg verlassen.«
    Der Graue Gardist schluckte, zuerst seinen Stolz und dann einen ordentlichen Klumpen Schleim, bevor er seine Befehle an Rudolfo weitergab. Rudolfo kniete sich neben ihn und hörte ihm gut zu.
    Als der Soldat fertig war und zurück auf seine schmutzige Liegestätte sackte, wusste Rudolfo alles, was er wissen musste. Er nahm die Botschaft und erweiterte sie sorgfältig mit seiner eigenen Geheimschrift. Er arbeitete die Nachricht in jedes Pünktchen und Tüpfelchen, in jeden Flecken und jeden Tintenklecks ein. Dann nahm er einen Vogel aus dem Käfig und band ihm die erweiterte Nachricht mit dem grünen Garn des Friedens ans Bein.
    Plötzlich erinnerte er sich, wie er vor mittlerweile einem Jahr einen anderen Vogel unter derselben Farbe zu Sethbert am Rande der Verheerung von Windwir geschickt hatte. Dieses Mal fühlte es sich genauso verlogen an wie damals. Er betrachtete die anderen Fäden, die auf dem Tisch verteilt lagen.
    »Sie sollten alle rot sein«, sagte er laut mit einer Stimme, die müder klang, als sie hätte sein sollen.
    Er hob den Vogel zum Fenster, flüsterte einen Namen und übergab seine Nachricht dem grauen Himmel.
    Petronus
    Gedämpft drangen Stimmen an Petronus’ Ohr, während seine unsichtbare Eskorte ihn durch die Straßen geleitete. Mit einer Binde vor den Augen und magifiziert wurde er von starken Händen aufrecht gehalten und bewegte sich vorwärts, obwohl seine Beine zu Wasser geworden waren und das Geräusch seines Herzschlags in seinem Kopf dröhnte.
    »Es wird wieder werden«, hatte Rafe Merrique ihm heute Morgen mit einem Zwinkern mitgeteilt. »Vielleicht habt Ihr ein paar Alpträume. Abgesehen davon werdet Ihr morgen so gut wie neu sein.«
    Petronus hatte zögerlich zugestimmt und zugelassen, dass der Pirat einen Hauch des weißen Pulvers auf seine Schultern und Füße, Stirn und Zunge tupfte. Dann hatte er gespürt, wie sein Magen zu flattern begann – das Zimmer ebenso –, als die Magifizienten ihn erfassten.
    Inzwischen wurden er und seine Männer rasch durch etwas geschoben, das klang und roch wie ein Fischmarkt. Er lauschte nach handfesten Hinweisen, die einen Schluss auf ihren Aufenthaltsort zulassen mochten, musste aber stattdessen feststellen, dass seine ganze Aufmerksamkeit davon in Beschlag genommen wurde, sich aufrecht zu halten und vorwärtszubewegen. Er wusste nicht, wie sich Grymlis und seine Männer so gut halten konnten, da auch sie erst spät mit den Pulvern angefangen hatten. Und dann gab es noch Männer wie Rudolfos Zigeunerspäher, die mit Magifizienten und Messern aufwuchsen und beides einsetzten, als wären sie dafür geschaffen. Der Gedanke ließ ihn erschauern.
    Sein Magen zog sich in einem Krampf zusammen, der ihm den Atem in der Kehle stocken ließ, und er taumelte. »Mir wird schlecht«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
    Niemand antwortete, aber er spürte eine Hand, die ihm beruhigend
die Schulter drückte. Er brauchte einen Augenblick, bis sein Gehirn die getippte Botschaft übersetzen konnte.
    Wir sind fast da. Er hatte keine Ahnung, wessen Hand es war; es war ihm auch gleich. Stattdessen widmete er sich ganz der Aufgabe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er wühlte in seinem Gedächtnis nach einer der hundert franzinischen Meditationen, die er gewöhnlich benutzte, um zu Ruhe und Trost zu finden, aber keines der gemurmelten Worte vermochte das Trommeln seines Herzschlags zu verdrängen, der längst nicht mehr im Takt mit den anderen hundert Herzschlägen in Hörweite war. Er hörte rasselndes Ein- und Ausatmen, alle Geräusche wurden von den Magifizienten verstärkt, und er verstand, weshalb ihr Gebrauch durch die Artikel der Bundschaft unter allen Umständen, abgesehen von den äußersten, untersagt wurde.
    Dann verschwand das nachmittägliche Licht,

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