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Loch

Loch

Titel: Loch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Laymon
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seinem wirren grauen Haar, den buschigen Augenbrauen und dem dichten Vollbart verborgen. Die Augen konnte man erkennen. Sie waren zusammengekniffen, blutunterlaufen und hatten ein blaue Iris. Auch seine Nase war sichtbar. Sie sah aus wie eine Erdbeere, mit der auf einer staubigen Straße Fußball gespielt worden war. Seine Unterlippe war aufgerissen und schälte sich.
    Der Typ ist ein wandelndes Wrack, dachte sie. Doch sie musste sich korrigieren, was sein Alter betraf. Er war nicht so ein alter Knacker, wie sie gedacht hatte. Wahrscheinlich Mitte fünfzig. Außer seinem Hut sahen seine Kleider einigermaßen sauber aus, aber sie waren dick und warm. Sein kariertes Flanellhemd hatte lange Ärmel, und Pamela konnte darunter den Ausschnitt eines verblichenen roten T-Shirts erkennen. Er hatte das Hemd in den Bund seiner Jeans gesteckt. Der Gürtel war mit einer großen Silberschnalle befestigt. Seine Füße steckten in abgewetzten staubigen schwarzen Cowboystiefeln.
    Er schenkte Pamela ein seltsames schiefes Grinsen und lüftete seinen Hut. »Mein Name ist Hank«, sagte er. »Ehrenamtlicher Bürgermeister von Pits, Chef-Führer, Faktotum, was immer Sie wollen, ich bin es. Hank.«
    »Ich bin Pamela.«
    »Sie sind eine Augenweide.«
    »Danke.«
    »Eine richtig scharfe Tomate.«
    »Also …«
    Er kniff die Augen zusammen. »Soll ich Ihnen mein Örtchen zeigen?«
    Sie lächelte bemüht und schüttelte den Kopf. »Im Moment nicht.«
    »Es ist mein Job. Chef-Führer. Wie wär’s mit Dillingers Todeswagen? Möchten Sie den sehen?« Er zeigte auf das rostige Wrack eines Oldtimers in der hinteren Ecke des Parkplatzes.
    »Das da?«, fragte Pamela.
    »Jawoll. Wollen Sie es ansehen?«
    »Vielleicht später.«
    »Lassen Sie es sich nicht entgehen.«
    Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Ist das der echte Dillinger-Todeswagen?« Es sah jedenfalls aus wie ein Auto, das in den Dreißigern unterwegs gewesen sein könnte.
    »Man kann die Einschusslöcher sehen«, sagte Hank und zwinkerte. »Das Baby ist damit übersät.«
    »Wollen Sie mich reinlegen?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Reden Sie von John Dillinger?«
    »Von niemand anderem.«
    »Ich glaube nicht, dass er in einem Auto saß, als er getötet wurde.«
    »Ach nein?«
    »Ich glaube, er stand vor dem Biograph-Kino in Chicago.«
    »Ha!« Hank streckte die Arme aus und fasste sie an den Schultern. » Sie kann ich nicht hinters Licht führen. Niemals! Sie sind ein kluges Köpfchen, ja, allerdings! Ich mag Sie.«
    »Danke.«
    Er beugte sich dicht zu ihr. Als würde er ein dunkles Geheimnis mit ihr teilen, sagte er: »Sie haben ja keine Ahnung, wie viele beschissene Schwachköpfe hier vorbeikommen und jeden verdammten Blödsinn glauben, den ich ihnen auftische. Keine Ahnung! « Er kicherte. Dann trat er einen Schritt zurück, sah sie finster an und nickte. »Das ist nicht Dillingers Todeswagen. Es ist der Todeswagen von Jesse James.«
    Pamela war von sich selbst überrascht, dass sie in Lachen ausbrach. Und noch mehr überraschte sie, dass sie Hank auf die Schulter klopfte. Eine Staubwolke stieg von seinem Hemd auf.
    »Wie heißen Sie?«, verlangte er zu wissen. Hatte er das nicht bereits gefragt?
    »Pamela.«
    »Pamela! Schön für Sie!«
    »Tja, danke.«
    »Bleiben Sie hier?«
    Sie zuckte die Achseln. »Eine Weile, vielleicht.«
    »Gute Sache! Ich bin auch geblieben. Und ich habe vor zu bleiben, bis ich von der Stange kippe, und dann sollen sie mich da drüben auf dem Friedhof bei den Hunden und Affen verscharren. Ich bin seit zweiundsiebzig hier.«
    »Das ist eine lange Zeit.«
    »Darauf können Sie einen lassen.«
    Lauren kam um die Ecke der Tankstelle gerollt. Sie saß auf dem vorderen Sattel eines Tandems.
    »Hank!«, rief sie. »Hast du die Lady belästigt?«
    Er kicherte. »Du weißt doch, dass ich eine beschissene Nervensäge bin.«
    Lauren radelte mit einem breiten Lächeln auf sie zu. »Hank ist ein unverbesserlicher Wegelagerer. Wir halten ihn hier, um die Kinder zu verjagen.«
    »Ha!«
    »Sind Sie einer der sechs Einwohner?«, fragte Pamela ihn.
    »Darauf können Sie wetten.«
    »Welcher?«
    Er blinzelte. »Manche finden, ich bin der Letzte.«
    »Du bist schrecklich.«
    »Ja, oder?«
    Lauren blieb mit dem Rad hinter Hank stehen. Sie stellte einen Fuß auf den Boden und hielt das Rad am Lenker aufrecht. »Steig auf, Pamela, dann fahre ich dich rüber zum Café.«
    »Also … okay.« Sie humpelte zu dem zweiten Sattel. »War schön, Sie kennenzulernen,

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