Loch
die Rückenlehne sinken. Seine Muskeln waren vor Anspannung verhärtet.
Es würde eine Weile dauern, bis er sich entspannte.
Eine ganze Weile.
Duke sagte trocken: »Ich habe die Bullen abgehängt. Es wird Zeit, dass wir einen Highway finden.«
29
»Mitternacht«, sagte Lauren, als sie die Tür des Cafés abschloss.
»Die Geisterstunde.« Pamela stand mit den Händen in der Schürzentasche da, um sicherzugehen, dass niemand die rechteckige Ausbeulung des Tagebuchs sah.
»Besser kann man es nicht ausdrücken«, sagte Lauren. »Oh, sieh dir den Himmel an. Man weiß die Sterne erst richtig zu schätzen, wenn man sie draußen in der Wüste gesehen hat.«
Pamela sah zum glitzernden Schauspiel der Sterne auf. »Unglaublich«, stimmte sie zu. »Und es ist so herrlich kühl, nachdem man den ganzen Abend im Café war.«
»Es war brüllend heiß. Und du hast es fantastisch gemacht.«
»War mir ein Vergnügen.« Pamela lächelte.
»Denk dran, wenn du den Kellnerjob willst, gehört er dir.«
Pamela öffnete den Mund, um zu antworten.
»Nein, du musst dich jetzt nicht entscheiden. Sag’s mir morgen früh.«
»Danke.«
»Wir haben heute guten Umsatz gemacht. Ich sorg dafür, dass du nächsten Samstag deinen Anteil am Trinkgeld bekommst.«
»Ach, das ist nicht …«
»Pst. Du hast es dir verdient. Es war heute Abend wie im Backofen da drin.« Lauren schlenderte mit Pamela über den Parkplatz. Die kühle Wüstenluft war so erfrischend wie ein kaltes Glas Sekt. »Und wenn du beschließt, bei uns mitzumachen, einigen wir uns auf einen angemessenen Lohn. Du bekommst auch eine Unterkunft.«
»Das ist ein großzügiges Angebot. Wirklich.«
»Woran es uns mangelt, ist ein rauschendes Nachtleben. Dafür haben wir unseren Frieden und reichlich Ruhe.« Sie verstummte und sah die Straße entlang, ein grauer Streifen im Sternenlicht. In dem gespenstischen Licht hätte ihr Gesicht, das unter günstigen Umständen schon knochig und hohlwangig war, das Antlitz eines urzeitlichen indianischen Kriegers sein können.
»Lauren, was ist los?«
»Ach, ich habe nur über Sharpe nachgedacht.«
»Er ist heute mit seinem Bus weggefahren, oder?«
»Hm, auf der Suche nach weiteren Leuten, die er retten kann.«
»Wie lange wird er wegbleiben?«
»Das kann man bei Sharpe nie wissen. Tage. Eine Woche.«
»Du vermisst ihn, oder?«
Sie nickte. »Klar. Aber so ist Walter Sharpe nun mal.«
»Seine Mission?«
»Ja …« Laurens waldgrüne Augen blickten abwesend. »Komm, es ist schon spät«, sagte sie dann.
Sie gingen an der Ansammlung von Autos, Lastern, Lieferwagen und ein oder zwei Motorrädern vorbei.
Bisher ist mir das gar nicht so merkwürdig vorgekommen, dachte Pamela. Die Parade der verlassenen Fahrzeuge.
Aber angesichts der Schuhkartons im Lager, die mit Stiften, Brillen, Gebissen und Autoschlüsseln vollgestopft waren …
Wo kommen die ganzen Autos her?
In dem dürftigen Licht sahen sie aus wie schlafende Tiere.
Wie leicht verliert man seinen Schlüssel und seine Brille?
Auf jeden Fall leichter als seinen Lastwagen, oder?
Man vergisst doch nicht einfach, in seinen Wagen zu steigen und wegzufahren, nachdem man einen Pits-Burger gegessen hat? Man geht nicht über die Wüstenstraße davon und denkt: Ich habe irgendwie das Gefühl, was Wichtiges vergessen zu haben.
Vor Pamelas Wohnwagen wünschten sie sich eine gute Nacht. Dann trennten sich ihre Wege. Pamela schloss die Tür auf. Im Inneren staute sich noch die Hitze des Tages. Sie war froh, in die warme Luft einzutauchen. Draußen war es ihr plötzlich zu kalt vorgekommen.
Zu gruselig.
Rodney ist gerade über mein Grab gelaufen.
Nicht lustig.
Sie schloss die Tür hinter sich. Verriegelte sie. Dann zog sie das Tagebuch aus ihrer Schürzentasche. Sie hatte das Gefühl, der Inhalt würde auch nicht lustig sein.
Pamela duschte und genoss das Trommeln des heißen Wasserstrahls. Es fühlte sich gut an, den Geruch von gebratenem Fleisch mit dem Grüner-Tee-Shampoo abzuspülen. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, schlüpfte sie in ein langes T-Shirt, das sie als Nachthemd benutzte.
Dann goss sie sich in der Küche ein Glas kalter Milch ein. Sie ging damit ins Wohnzimmer, wo sie das Tagebuch des Jungen auf dem Tisch liegen gelassen hatte.
Sie erinnerte sich an die Worte in Kinderschrift auf der ersten Seite: Benny Loscoff, zehn Jahre (letzter Wille und Testamint).
Testamint.
Natürlich hatte er »Testament« gemeint. Aber warum sollte ein Kind seinen Letzten Willen in
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