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Lockende Kuesse

Lockende Kuesse

Titel: Lockende Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie ärgerte sich über die Klagen der anderen Fahrgäste, wobei die meisten Beschwerden, wie sie mit Verachtung feststellte, von den Männern kamen. Am nächsten Morgen, als es von Leicester aus weiterging, musste Kitty in ihre immer noch feuchten Sachen schlüpfen. Der Himmel hing voll schwerer, schiefergrauer Wolken, doch zumindest regnete es im Moment nicht mehr. Als die Kutsche schließlich vor dem Packhorse Hotel in Bolton vorfuhr, stolperte eine vollkommen steife Kitty hinaus; sie konnte kaum mehr gehen. Resolut nahm sie jedoch ihre Reisetasche auf und ging die engen, schmutzigen Gassen entlang, die zum Armenviertel Spike Hazy führten. Die Nacht war bereits hereingebrochen, doch zum Glück hatten die Laternenanzünder ihre Pflicht getan, und das tapfere gelbe Licht der
    Gaslaternen leuchtete ihr den Weg über die kopfsteingepflasterten, regennassen Gassen.
    Nach einer Stunde, in der Kitty lachend und schwatzend vor dem Kamin gesessen hatte, kam es ihr fast so vor, als wäre sie nie weg gewesen. Alles war wie früher, bloß dass Ada inzwischen noch ein Kind bekommen hatte und aussah, als wäre sie schon wieder schwanger. Als sich die anderen schließlich nach oben zurückzogen, um schlafen zu gehen, waren Kitty und Swaddy endlich ungestört.
    »Tja, meine Schöne, du gehst also ab nach Amerika, hm?«
    »Patrick hat versprochen, mich zu heiraten, und ich sehe nicht ein, wieso ich monatelang warten soll, bis er wieder heimkommt. Du etwa?«
    Seine Augen funkelten listig. »Tja, Mädelchen, wenn er an dir rumgemacht hat, dann solltest du wohl besser fix diesen Ring an den Finger kriegen.«
    »Opa, bitte schimpf nicht. Ich war doch schon als kleines Mädchen wahnsinnig in ihn verliebt.«
    »Hättst du dich nicht mit dem jungen Hengst zufriedengeben können, den du geheiratet hast?«
    »Nein, leider nicht. Er hat mich nur geheiratet, weil er sich in Terry verliebt hat.«
    »Dann hat er den Tod verdient. Vergiss nicht, meine Schöne: bloß keine Schuldgefühle.«
    Kitty drückte ihm zehn Pfund in die faltigen Hände, bevor sie sich ein Lager zum Schlafen machte.
    »Danke, Liebe. Und benimm dich in Zukunft ein bisschen, Mädelchen. Du verstehst es wirklich, dauernd in Schwierigkeiten zu geraten.«
    Lachend erwiderte sie: »Patrick wird schon auf mich aufpassen.«
    Doch er schüttelte den Kopf und dachte insgeheim: »Da braucht's aber einen ganz besonderen Mann, um dieses Mädel im Zaum zu halten.«
    Es war etwa zur Teezeit am nächsten Tag, als Kitty am schicken Adelphi Hotel in Liverpool vorbeispazierte. Drinnen servierten Kellner in weißen Handschuhen und schwarzen Fräcken den Schönen und Reichen hauchdünne Gurkenscheiben und Kressesandwiches. M an lauschte höflich einem Fünf undzwanzig— Mann- Orchester, das dezent hinter einem Pflanzendschungel versteckt musizierte. Kitty eilte rasch vorbei und kaufte sich an einem Stand eine Fleischpastete. In Liverpool wimmelte es nur so von Seeleuten aus aller Herren Länder, Schwarze, Laskaren - das waren ostindische Matrosen und mindestens die Hälfte der Bevölkerung schien orientalischer Abstammung zu sein. Von einer riesigen Anzeigentafel im Lyver Building erfuhr Kitty, wo sich Isaac Bolts Büroräume befanden. Sie klopfte und trat ein. Ein Büroangestellter fragte sie nach ihrem Begehr, und sie sagte, sie wünsche Isaac Bolt zu sprechen.
    »Ich fürchte, er ist im Augenblick beschäftigt, Ma'am.« Er zögerte. »Seine Töchter sind bei ihm.«
    »Nun, ich bin sicher, wenn Sie ihm sagen, dass die Schwester seines Partners, Mr. O'Reilly, hier ist, wird er mich schon empfangen«, schwindelte sie rasch.
    »Oh, es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, Madame. Mr. O'Reilly ist hier allseits sehr beliebt. Ich werde Mr. Bolt sofort sagen, dass Sie da sind.«
    Sie wurde in ein Büro mit großen, hässlichen Möbeln geführt.
    Isaac Bolt war um die sechzig und besaß dicke, buschige, graue Koteletten. Die ältere Tochter war ziemlich hübsch, doch die jüngere hatte leicht hervorquellende Augen und Schlupflider. Kitty wusste sofort, dass sie äußerst gerissen war. Sie streckte Isaac Bolt ihre Hand hin und sagte lächelnd: »Ich bin Patricks Schwester Barbara. Wie geht es Ihnen, Mr. Bolt?«
    »Ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen, meine Liebe. Das sind meine Töchter. Alice ist die Hübsche, und das hier ist Maude. Doch was Maude an Schönheit fehlt, das macht sie allemal mit Verstand wett.« Er lachte herzlich, und Maude stellte sich auf die Zehenspitzen und

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