Lockende Kuesse
glückliche Weiterreise.« Und sie lächelte ihnen zu.
Der Junge namens Josh nahm den Postbeutel in die eine Hand und Kittys Reisetasche in die andere. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Plantage so groß ist«, sagte Kitty, die die weitläufigen, makellos gepflegten Rasenflächen beiderseits der langen Auffahrtsstraße mit offenem Mund bestaunte. Der Junge war zu scheu, um zu antworten, also grinste er nur. Sie mussten ein ganzes Stück laufen, bis endlich das Herrenhaus in Sicht kam. Kitty blieb wie angewurzelt stehen, um es zu bewundern. »Oh, es ist einfach atemberaubend«, rief sie. Josh grinste wieder.
Als sie vor dem Hausportal standen, hatte Kitty plötzlich das Gefühl, sie hätte besser nicht hierher kommen sollen. Wie sollte sie einen solchen Palast betreten und erklären, wer sie war? Doch dann gewann ihr angeborener Optimismus die Oberhand, und sie wusste, dass alles gut sein würde, sobald Patrick sie erblickte.
Josh klopfte an die Tür, und Ebony, der Butler, öffnete weit beide Türflügel. Er verbeugte sich steif. »Wollen Sie nicht hereinkommen, Madame. Ich werde sofort Miz LeCoq informieren.« Kitty folgte ihm in die weitläufige Eingangshalle.
Ihr zitterten die Knie, auch merkte sie nun, dass ihr von dem langen Marsch in der brütenden Hitze ganz schwach geworden war. In diesem Moment erschien eine große, beeindruckende Frau am oberen Treppengeländer und pausierte dramatisch, um zu ihr hinunterzusehen. Langsam schritt Jaquine die Treppe hinab, wobei sie das wunderschöne junge Mädchen, das unten auf sie wartete, keine Sekunde aus den Augen ließ. Eine dunkle Vorahnung ließ ihren Magen zu-sammenkrampfen, eine so starke Vorahnung, dass sie, als ihre Füße den marmornen Boden berührten, ohne jeden Zweifel wusste, wer dort auf sie wartete. Ohne sich jedoch etwas anmerken zu lassen, streckte sie dem Mädchen lächelnd die Hand entgegen. »Wie geht es Ihnen? Isch bin Jaquine LeCoq. Wie kann isch Ihnen behilflisch sein?«
»Danke, gut. Ich bin Kitty Rooney. Ich suche Mr. Patrick O'Reilly, und leider ist dies die einzige Anschrift in Amerika, die ich von ihm habe.«
»Ach ja. Isch wusste sofort, als isch Sie sah, dass Sie nach Patrick suchen. Isch fürchte jedoch, dass er nach Norden abgereist ist, um dort seinen Geschäften nachsugehen. Aber keine Sorge, meine Liebe, er wird bald wieder hierher surückkehren.«
»Ach du meine Güte. Es tut mir so Leid, Ihnen zur Last fallen zu müssen, Madame. Ich bin den ganzen weiten Weg aus England hierhergekommen und weiß jetzt gar nicht, was ich tun soll«, sagte Kitty, deren Herz sich vor Enttäuschung zusammenkrampfte.
»Erlauben Sie mir, Sie auf Bagatelle willkommen su heißen. Isch würde misch freuen, wenn Sie mein Gast wären. Es ist hier manchmal recht einsam, wie Sie sisch vorstellen können. Kommen Sie, gehen wir in den Salon. Sie müssen völlig erschöpft sein.« Kitty lächelte dankbar und folgte Jaquine in den herrlich kühlen Raum. »Topaz, bring einen Palmwedel«, befahl sie dem schwarzen Mädchen, das in einer Ecke stand.
»Danke. Ich bin diese Hitze nicht gewöhnt«, sagte Kitty.
»Sag Ebony, er soll uns swei Gläser mit Pfefferminzsaft und viel Eis bringen«, befahl Jaquine.
»Danke«, murmelte Kitty erneut und ließ sich in einen weich gepolsterten Korbsessel fallen. Ihre Gedanken waren ganz verwirrt. Diese Frau, die äußerlich so nett und gastfreundlich erschien, besaß den härtesten Mund, den Kitty je gesehen hatte. An den Rändern wies er nach unten und wirkte irgendwie ... ja wie? Unbefriedigt?
»Patrick nähme es mir sehr übel, wenn isch nicht vorbildlich für Sie sorgen würde, da bin isch mir sicher. Isch schlage vor, Sie ruhen sisch heute erst einmal aus. Nehmen Sie ein Bad und schlafen Sie ein wenig. Isch werde Ihnen sum Abendessen ein Tablett raufschicken lassen, dann brauchen Sie heute Abend gar nicht mehr heruntersukommen. Wir können dann morgen reden. Dann können Sie überlegen, ob Sie lieber hier auf Patricks Rückkehr warten wollen oder nach Norden fahren, um ihn dort zu suchen, n'est-ce-pas?«
»Sie sind sehr gütig, Madame. Und dieser Saft ist einfach köstlich. Ich hatte noch nie Eis.«
»Ja, wo haben Sie denn gesteckt? In einem Kloster? Wie alt sind Sie überhaupt? Fünfzehn?«
»Ich bin einundzwanzig«, log Kitty mit zornblitzenden Augen.
»Ach, ja vielleicht ... aber ganz gewiss temperamentvoll!«, lachte Jaquine. »Topaz, bring die junge Dame nach oben und hilf ihr, sisch einsurichten.«
Als
Weitere Kostenlose Bücher