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Lockende Kuesse

Lockende Kuesse

Titel: Lockende Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bronchitis war schlimmer geworden. Sie bestand darauf, dass er sich sofort ins Bett legte, dann schickte sie jemanden in die Harley Street nach seinem Hausarzt. Nun würde sich Julia doch ganz allein um die Vorbereitung des Wohltätigkeitsballs kümmern müssen.
    »Ich fürchte, Euer Ehren hat eine leichte Lungenentzündung. Ich verordne absolute Bettruhe. Halten Sie ihn gut warm, dann werden wir sehen, ob es ihm morgen schon besser geht.«
    Ging es nicht. Kitty ließ ein Sofa in sein Zimmer bringen, und dort schlief sie von Stund an. Sie übernahm seine Pflege selbst und ließ alles andere sausen. Allmählich erholte sich Charles, doch selbst in seiner Genesungsphase wurde sie keine Sekunde lang nachlässig. Dann bekam Charles Patrick einen Keuchhusten. Sie steckte ihn sofort ins Bett und begann ihren zweiten Patienten zu pflegen.
    Charles machte ihr Vorwürfe. »Du bist zu Tode erschöpft; wenn du dich nicht bald ausruhst, wirst du selbst krank. Mein Liebling, du hast dich doch schon den ganzen Winter um einen Kranken kümmern müssen und jetzt das noch. Mach dir um mich bitte keine Sorgen. Geh und bleib bei dem Jungen, aber sitz nicht jede Nacht an seinem Bett.«
    Sie lächelte über seine Besorgnis. »Dafür sind Mütter schließlich da.«
    Endlich verkündete der Doktor, dass das Kind außer Gefahr sei und es auch Charles besser ginge. Beruhigend sagte er: »Medizin ist die Kunst, den Patienten bei Laune zu halten, während die Natur die Heilung übernimmt. Ich glaube, der Junge sollte nun ein wenig beschäftigt werden.«
    Kitty las ihm unermüdlich vor, spielte Karten mit ihm und schnitt Papierfiguren aus. Sie machte für sich und ihn falsche Schnurrbärte und einen dritten, als er darauf bestand, dass der Hund auch einen bekommen müsste. Doch als ihr plötzlich einfiel, welcher Tag heute war, riss sie sich erschrocken den schwarzen Pappschnurrbart von der Oberlippe.
    »Katie!«, kreischte sie in höchsten Tönen. »Mein Gott, warum hat mich keiner an den Ball erinnert?«
    »Ich dachte, Sie hätten jeden Gedanken an eine Teilnahme aufgegeben, Ma'am. Sie müssen ja vollkommen erschöpft sein.«
    »Aber ich bin die Schirmherrin dieses Balls; ich muss hingehen! Lieber Himmel, ich habe mir nicht mal ein Kleid machen lassen.«
    Sie riss die Schranktüren sperrangelweit auf. »Diese Kleider habe ich seit dem letzten Sommer nicht mehr angeschaut. Oh, sieh nur, wie sie aussehen! Das hellgrüne ist eins meiner liebsten und auch das lavendelblaue, aber schau nur, wie staubig sie sind. Wo sind all die Kleider, die ich nach Irland mitgenommen habe? Sag bloß nicht, noch in den Schrankkoffern! Liebe Güte, so etwas sollte hier wirklich nicht vorkommen; schließlich haben wir ja genug Dienstboten. Aber es scheint niemand da zu sein, der meine Kleider in Ordnung hält.«
    »Wie wär's mit diesem hübschen aprikotfarbenen Seidenkleid?«, fragte Katie.
    Kitty zog es über den Kopf, doch es rutschte ihr von den Schultern und klaffte am Ausschnitt auf. »War mir schon immer ein bisschen weit, aber ich glaube, ich habe abgenommen, und jetzt hängt es an mir wie ein Sack. Das mit der Goldlitze ist richtig schäbig geworden, schau nur, und das Silberne ebenfalls.«
    »Wie wär's mit dem weinroten Brokatkleid? Kann mich nicht erinnern, dass Sie das je anhatten.«
    »Ja, ich glaube, das wird gehen, Katie. Ich hatte ja nur noch Kleider und mein Aussehen im Kopf. Dieser Winter hat alles wieder ins rechte Licht gerückt. Ich war ja nur noch unterwegs und musste immer alle ausstechen.«
    »Entschuldigen Sie, Ma'am, aber was ist mit Ihren Haaren?«
    »Liebe Güte, habe mich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr frisieren lassen. Ich bin es so gewöhnt, es einfach zu einem Knoten zu binden. Wenn ich's offen lasse, ist es nicht mehr zu bändigen. Ich glaube, ich werde es einfach zu einem Nackenknoten schlingen und eins dieser Haarnetze tragen. Schau, ob du ein zum Kleid passendes für mich findest, Katie.«
    Sie beäugte sich kritisch im Spiegel. Ihr Hals war ganz kratzig und auf ihrer Brust war ein Fleck, der höllisch brannte. Bekümmert dachte sie, die Zigeunerin kommt wieder raus. Bin dünn wie ein Stecken.
    In der Kutsche wünschte sie, ein anderes Kleid gewählt zu haben. Was sie zuerst für ein sattes Weinrot gehalten hatte, stellte sich nun als ein scheußliches Kastanienbraun heraus. Doch als sie Charles anblickte, der auf dem Sitz gegenüber saß, vergaß sie sich und ihre kleinen Sorgen. »Hältst du es wirklich für klug, heute

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