Lockende Kuesse
Marlborough House anziehen?«, erkundigte sich Julia eifrig—
Später an diesem Tag besuchte Kitty ihre Freundin Lady Derby und brachte das Gespräch ganz beiläufig auf Patrick.
»Wer ist dieses Mädchen, von der man so viel hört?«
»Ach, Sie meinen Lady Patricia Cavendish?«
Kitty lachte gespielt. »Ist wohl entschlossen, ihn in ihre Klauen zu kriegen, was?«
»O nein, so eine ist sie nicht, Kitty. Sie ist eine sehr nette junge Dame, aus sehr gutem Hause. Sie sollten mal ihre Kleider sehen. Möchte zu gern wissen, bei wem sie schneidern lässt.«
»Protzt also gern ein wenig, stimmt's?«, fragte Kitty, die gegen ihren Willen immer zorniger wurde.
»Also, so würde ich sie gewiss nicht beschreiben. Ihre Kleider sind von tadellosem Geschmack, einfach exquisit, wissen Sie. Schlicht und makellos.«
Verdammt nochmal, was sollte das schon wieder heißen, dachte Kitty, dass ich zu auffällig gekleidet bin? Na, die werden mich kennen lernen!
Am folgenden Tag schon saß Kitty in der Schneiderboutique in der Bond Street und sah sich mit der Inhaberin zahllose Entwürfe an. »Nein, nein, das ist so altmodisch, das würde nicht mal mehr meine Großmutter anziehen«, sagte Kitty zu der Französin.
»Vielleischt dann das hier, Euer Ehren. Diese Krinoline hat ganze siebzehn Jards!«
»Aber darum geht's doch: die Krinoline ist so gut wie passe, wie ich höre«, entgegnete Kitty.
»Nun ja, das würde isch nischt unbedingt sagen, aber hier habe isch den neuesten Schrei aus Paris. Es nennt sisch Tour-nüre, sehr outre ; das Kleid liegt eng an und wird hinten zu einem kleinen Bausch zusammengefasst.«
Kitty riss die Augen auf, als sie die Zeichnung erblickte. »O ja«, hauchte sie. In dem Modegeschäft quoll es nur so über von Taftstoffen, Moirees und Brokaten, in Schattierungen von Aprikot bis Bernstein, Zitronengelb bis Pfingstrose und Koralle bis Chartreuse. Kitty wusste sofort, welches die Farbe war, die ihr dunkles Haar und ihre rassige Erscheinung am besten unterstreichen würde. Es war ein leuchtendes Türkis, so leuchtend wie die Südsee, die sich an weißen, weichen Sandstränden bricht. Sie stand vollkommen reglos da, während man den Stoff um sie herum drapierte. »Den Rock noch ein wenig enger«, sagte sie.
Die Näherin strich mit der Hand über Kittys Hüfte: »Aber Euer Ehren, wenn es noch enger ist, können Sie ja nischt mehr laufen.«
»Dann machen Sie hinten einen Schlitz rein«, sagte Kitty wagemutig. »Und der Ausschnitt muss noch fünf Zentimeter tiefer werden.«
Die Ladeninhaberin schüttelte den Kopf, steckte aber den Ausschnitt wie gewünscht tiefer.
»Ich hasse Konventionalität in der Kleidung. Ich möchte meinen eigenen Stil kreieren. Sehen Sie diesen schwarzen Samt? Ich wollte schon immer ein Paar Reithosen aus so einem Stoff. Ich könnte natürlich Jungenhosen tragen, aber die sind so unweiblich. Also, wenn Sie mir daraus eine Hose nähen würden, die mir wie angegossen sitzt, ich glaube, das wäre äußerst kleidsam! Machen Sie mir ein Paar, mir ist danach.«
Die Frau ahnte, dass Kitty die Angel nach einem Mann auswarf und war daher sofort mit ein paar Vorschlägen zur Hand, als sie sich die Nachthemden ansah. Sie wählte ein hauchzartes schwarzes Nichts, das mit winzigen Vergissmeinnichtblüten bestickt war.
Am Tag des Balls aalte sich Kitty stundenlang in der heißen Wanne, ölte sich ein, parfümierte, puderte und schminkte sich. Ihre schwarzen Locken ließ sie passend zum Kleid hochstecken, wobei die eine oder andere Locke in spielerischer Nachlässigkeit herunterwippte. Als Schmuck steckte sie lediglich Ohrringe an - in Diamanten eingefasste Aquamarine. Ihr winziges Walknochenkorsett wurde so eng geschnürt, dass ihre Brüste wie reife Melonen überquollen. Sie streifte ihre hochhackigen Schuhe an und übte sich eine ganze halbe Stunde lang im Gehen, bis sie sich zuversichtlich das enge Kleid überstreifte.
Charles kam herein. »Du siehst einfach umwerfend aus! Jetzt tut es mir richtig Leid, dass ich ihre Gesichter nicht sehen kann, wenn du auftauchst.«
»Du kannst es dir immer noch anders überlegen«, drängte sie ihn.
»Nein, nein, ich muss morgen nach Southampton und habe davor noch ein Dutzend Papiere durchzusehen. Geh nur und amüsiere dich gut!«, wünschte er ihr.
Als Kitty eintraf, saß sie wie auf Kohlen, denn Patrick war noch nirgends zu sehen. Und wenn er nun überhaupt nicht kam? Sie erregte Aufsehen unter den Gästen, doch nahm sie die kalten Blicke der Frauen
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