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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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ungeduldigen Blick zu. „Ich hatte gehofft, der Aufenthalt an der frischen Luft würde dich aus deiner Niedergeschlagenheit reißen. Offensichtlich bringt er aber nicht den gewünschten Effekt.“
    „Nein, nein, ich bin keineswegs niedergeschlagen“, beeilte sich Julianna zu versichern. „Ich dachte gerade darüber nach, was du mir über die Kalmenzone in der Nähe des Äquators erzählt hast, wo die Schiffe oft tagelang nicht von der Stelle kommen.“ Wie so oft bemühte sie sich, Interesse zu zeigen, wenn auch das freundliche Lächeln, zu dem sie sich ständig zwang, bereits begann, ihr Kopfschmerzen zu verursachen.
    „Erinnerst du dich noch an unseren letzten Besuch in Vauxhall?“, fragte Crispin, nachdem eine Weile Schweigen zwischen ihnen geherrscht hatte.
    „Wie könnte ich nicht? Du hast mir doch einen Heiratsantrag gemacht.“ Crispin hat sich seitdem nicht verändert, dachte Julianna. Er ist noch genauso nett und anziehend wie damals. Nur das romantische Mädchen, das diesen Antrag angenommen hatte, gab es nicht mehr.
    „Ach, es war der glücklichste Tag meines Lebens“, fuhr Crispin strahlend fort. „Aber es steht uns ja bald ein noch glücklicherer bevor, sobald wir das Annullierungsverfahren hinter uns haben. Das ist es doch, was dich bedrückt, mein Engel, nicht wahr?“
    „Entschuldige, Crispin, was hast du gerade gesagt? Das Annullierungsverfahren? Ja, das liegt mir mehr auf der Seele, als ich gedacht habe.“
    Crispin nahm ihre Hand. „Das braucht dir keinen Kummer zu machen, Liebling. Onkel Edmund hat in der vergangenen Woche Zeugnis abgelegt, und er sagte, alles laufe gut. Es wird wahrscheinlich ziemlich trocken und weitschweifig werden. Aber wenn dann das bischöfliche Gericht erklärt hat, dass ihr nie wirklich verheiratet wart, können wir endlich miteinander glücklich sein, so wie wir es uns einst hier erträumt haben.“
    „Wie geht es denn eigentlich deinem Onkel?“ Julianna bemühte sich um einen gleichgültigen Ton. „Ich habe ihn ja ewig nicht mehr gesehen.“
    „Gut, wie immer. Er lebt sehr zurückgezogen, aber das ist ja nichts Neues bei ihm. Ich glaube, er war nicht sehr erfreut, als er den Bericht im Spectator über das Annullierungsverfahren und die Gründe dafür las. Er hasst es, wenn sich die Öffentlichkeit mit seinen Angelegenheiten beschäftigt.“
    „Fragt er manchmal nach mir?“ Gegen ihren Willen kamen diese Worte über Juliannas Lippen.
    „Hin und wieder. Gestern zum Beispiel hat er sich erkundigt, ob Vanessa dich schon in Grund und Boden geschwatzt hat“, berichtete Crispin lachend. „Ich habe ihm versichert, dass deinereizenden kleinen Ohren keinen sichtbaren Schaden genommen haben und dass sie sich noch immer an den Seiten deines unvergleichlichen Gesichts befinden, mein Liebling.“
    Vergeblich versuchte Julianna, sich an die freudige Erregung zu erinnern, die sie früher bei Crispins blumigen, poetischen Komplimenten empfunden hatte. Das einzige, was ihr stattdessen ins Gedächtnis kam, war Edmunds Bemerkung über eine Währung, die an Wert verliert, wenn man sie in zu großen Mengen auf den Markt wirft. Die Wahrheit dieser Worte hatte sie in den langen trostlosen Wintermonaten verstehen gelernt, in denen sich das Annullierungsverfahren dahinschleppte. Crispins wortreiche Schmeicheleien verloren rasch an Bedeutung, obwohl sie zweifellos aufrichtig gemeint waren. Es waren aber Edmunds rare Huldigungen, die sie an ihrer Stelle in ihrem Herzen bewahrte und die ihr ob ihrer Seltenheit um so teurer waren.
    Morgen würde sie nun vor dem Kirchengericht erscheinen und bestätigen müssen, dass ihre Ehe nie körperlich vollzogen worden war und sie sich der Bitte anschloss, die Heirat für null und nichtig zu erklären. Obwohl sie wusste, dass dieser Gang der Dinge sowohl den Wünschen Edmunds als auch Crispins entsprach, war es ihr unmöglich, sich als Frau eines anderen als Sir Edmund Fitzhugh vorzustellen.
    In der Weltabgeschiedenheit seiner Bibliothek lehnte Edmund in einem Armstuhl und nahm einen langen Zug aus seiner Pfeife. Ein schmaler Band mit den Sonetten von William Shakespeare lag geöffnet auf seinen Knien. In letzter Zeit waren sie seine Lieblingslektüre geworden. Es gab ihm einen merkwürdigen Trost, dass auch der große Dichter von Liebesqualen nicht verschont geblieben war. Sein Genie aber hatte es ihm erlaubt, Schmerz und Leidenschaft in Verse von unsterblicher Schönheit umzusetzen.
    Als er weiterblätterte, fand er zwischen den Seiten

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