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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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endlich einmal das neue Seidenkleid anzulegen, obwohl es ihr eigentlich auch für diese Gelegenheit zu prächtig erschien. Als sie sich angekleidet hatte, stellte sie fest, dass ihr Haar am besten aussah, wenn sie es offen trug.
    Sie Edmund blickte überrascht auf, als sie langsam die Treppe hinabstieg, und stieß unwillkürlich einen bewundernden Laut aus. Doch er fand seine Gelassenheit rasch wieder und zitierte höflich eine Verszeile des Dichters Herrick mit einer kleinen Veränderung zu Juliannas Huldigung.
    „Wenn Julianna, in Seide gehüllt, dahinschreitet, wie wundervoll umfließen sie die Wellen ihres Gewandes.“
    Julianna, die sich weit mehr von seinem ungewollten Ausruf geschmeichelt fühlte als von der etwas gekünstelten Ritterlichkeit seiner Rezitation, bedachte ihn mit einem koketten Lächeln und erwiderte: „Eure Komplimente sind so galant, Sir Edmund. Ich wünschte, Ihr würdet sie öfter verteilen.“
    Sir Edmund verzog spöttisch die Lippen, um seine Verlegenheit zu überspielen. „Nun, nun, Mädchen“, knurrte er, „versuche nicht, mich um den Finger zu wickeln. Jeder kluge Kaufmann weiß schließlich, dass eine Währung an Wert verliert, wenn man sie in zu großen Mengen auf den Markt wirft.“
    Während Julianna den Schöpflöffel in den Punschtopf tauchte, fragte sie neckend: „Seid Ihr ein so kluger Kaufmann, dass Ihr gar mit Höflichkeiten knausert, Sir Edmund? Crispin ist da großzügiger. Er geht geradezu verschwenderisch um mit seinen Komplimenten.“ Sie reichte ihm ein gefülltes Punschglas und fuhr fort: „Ich glaube, wir haben den Toast noch gar nicht ausgebracht, den Ihr beim Frühstück anregtet. Also, auf Crispin und seine erfolgreiche Reise. In zwei Jahren können wir hoffentlich zu dritt unser Glas erheben.“
    Bald jedoch sahen sie sich von Gesellschaft förmlich überschüttet, denn Sir Edmunds Gastfreundlichkeit war allgemein bekannt. Die Schar der Weihnachtssänger riss nicht ab, und manche von ihnen kamen sogar aus weit abgelegenen Landstrichen, um in der Hauptstadt die traditionellen Weihnachtslieder ihrer Heimat vorzutragen.
    Erst spät am Abend verabschiedeten sich die letzten Gäste. Erschöpft von dem langen Tag voller unermüdlicher Tätigkeit und zugleich angeregt von dem kräftigen Punsch, sank Julianna mit heißen Wangen in einen der Armstühle.
    „Wollen wir heute noch Ordnung machen, Sir Edmund, oder lassen wir es bis morgen früh?“, fragte sie und blickte seufzend auf die vielen benutzten Punschgläser und die zahllosen Fußstapfen auf dem Marmorboden der Halle.
    „Ach, heute Abend bleibt alles stehen und liegen.“ Sir Edmunds Stimme klang heiser und müde. „Crispin und ich haben früher auch nichts mehr angerührt. Die ersten Mägde werden in aller Frühe zurückkommen und sich darum kümmern. Ich schlage vor, du bleibst morgen im Bett, bis dir jemand Frühstück bringt und das Feuer im Kamin anzündet.“ Erschauernd rieb er sich über die Arme. „Ich fürchte, ich habe mich durch das ständige Türöffnen erkältet.“
    „Oh, das tut mir aber leid, Sir Edmund.“ Besorgt musterte Julianna sein gerötetes Gesicht. „Kann ich irgendetwas für Euch tun?“
    „Nein, danke, mein Kind. Ein ausgiebiger Schlaf wird mich schon wieder auf die Beine bringen. Gute Nacht.“
    Als sie in dem halbdunklen Korridor dann getrennte Wege gingen, rief ihr Sir Edmund nochnach: „Es war hübsch, dass du über die Feiertage hiergeblieben bis. Deine Gesellschaft hat mir viel Vergnügen gemacht.“
    „Und mir die Eure, Sir Edmund. Schlaft wohl!“ Mit der Hoffnung, dass das angenehme Zusammenleben mit Crispins Onkel auch nach den Feiertagen fortdauern möge, betrat Julianna ihr Zimmer. Nach einigem Nachdenken stiegen ihr dann jedoch Zweifel auf, ob dieser Zustand tatsächlich andauern würde.

6. KAPITEL
    Am anderen Morgen stellte Julianna zufrieden fest, dass die Rückkehr des Personals auch gewisse Vorteile hatte. Es war angenehm, ohne die wenig verlockende Aussicht, sich im kalten Zimmer ankleiden zu müssen, so lange wie möglich im Bett zu bleiben. Kaum hatte sie sich die Augen gerieben, so erschien auch schon ein Mädchen, um Feuer im Kamin zu machen. Viel lieber hätte Julianna allerdings Gwenyth wiedergesehen, doch sie erfuhr von Hetty, die ihr wenig später das Frühstück brachte, dass Tantchen Enid und ihre Nichte noch einige Tage in Chatham bleiben würden, um Verwandte zu besuchen. Mr Brock aber sei pünktlich am Morgen wieder in Fitzhugh House

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