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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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eingehenden Überlegungen wieder, denn sie fürchtete, es würde zu auffallend sein und zu elegant wirken für ein Konzert mit geistlicher Musik. An seiner Statt wählte sie ein Gewand in vornehmem Silbergrau aus. Die Farbe machte sie ungewöhnlich blass, und der schlichte Schnitt ließ sie kaum älter als vierzehn Jahre erscheinen. Aber Julianna beruhigte sich mit dem Gedanken, dass sie ja zu der Aufführung ging, um gute Musik zu hören, und nicht, um sich zur Schau zu stellen. Den unüberlegten Kauf des kostbaren Seidenkleides begann sie inzwischen bereits zu bereuen, denn es würde sich sicherlich keine passende Gelegenheit finden, um sich endlich einmal mit dieser prächtigen Kreation zu schmücken.
    All diese kleinen Sorgen vergingen jedoch mit den ersten Takten des Oratoriums. Obwohl es ganz offensichtlich nur eine Probe war, schienen sich die Musiker des kenntnisreichen, kritischen Publikums voll bewusst zu sein und gaben ihr Bestes. Nie zuvor hatte Julianna so viele Instrumente und Stimmen auf einmal vernommen, und die Wirkung übertraf ihrem Gefühl nach auch die höchsten Erwartungen. Bei dem großen Halleluja schien die Luft erfüllt zu sein von der jauchzenden Musik. Hingerissen ergriff Julianna Sir Edmunds Hand und drückte sie fest. Erst nachdem der letzte Takt verklungen war, wurde sie sich dessen bewusst und löste rasch ihren Griff.
    Während des höflichen Beifalles neigte sich Sir Edmund zu ihr und flüsterte: „Ich teile deine Gefühle vollauf. Wie ich hörte, soll Meister Händel das Werk in nur drei Wochen vollendet haben. Nachdem ich es nun erlebt habe, kann ich nur sagen, dass es eine göttliche Eingebung gewesen sein muss.“
    Nach dem Konzert gab es noch einen Empfang für die Schutzherren des Hospitals. Zu ihrem großen Kummer stellte Juliannas dabei fest, dass die anderen Damen alle in großer Aufmachung erschienen waren. Neben ihnen wirkte sie wie ein armes graues Mäuschen. Doch ihre Verwirrung darüber wandelte sich in Verdruss, als sie die verstohlenen Blicke und das heimliche Nicken in ihre Richtung bemerkte und dabei feststellte, dass es nicht ihr Kleid, sondern ihre Jugendlichkeit war, die diesen stillen Tadel hervorrief.
    Ärgerlich hielt sie sich vor Augen, dass Gleichaltrigkeit bei Mann und Frau doch wohl kaum die Regel war, denn es dauerte viele Jahre, bis ein Mann die Mittel erarbeitet oder auch geerbt hatte, um eine Familie gründen zu können. Dann musste er natürlich eine deutlich jüngere Frau heiraten, die ihm noch viele Kinder schenken konnte.
    Sir Edmund schien sich der kritischen Meinung ebenfalls vollauf bewusst zu sein, denn er stolzierte steif einher und war von übertriebener Höflichkeit bei der Vorstellung seiner Gemahlin. Mit grenzenloser Erleichterung entdeckte Julianna schließlich ein paar Freunde ihres Vaters unter den Gästen und eilte mit Sir Edmund freudestrahlend zu ihnen hin.
    „Holla, Freunde“, rief Mr Kelway, als er ihrer ansichtig wurde, „ich will nie wieder zur See fahren, wenn das nicht unsere kleine Tyrannin, Miss Ramsay, ist! Mein liebes Kind, ich komme gerade aus Florenz zurück und erfahre als erstes die traurige Neuigkeit vom Ableben deines lieben Vaters. Wir werden ihn schmerzlich vermissen.“
    Seine Begleiter bestätigten diese Feststellung mit einem teilnahmsvollen Murmeln.
    Tief beeindruckt von diesem ehrlichen Mitgefühl suchte Julianna einen Augenblick lang vergeblich nach einer Antwort. „Wie freundlich von Euch“, sagte sie schließlich und fügte dann mit einem schüchternen Lächeln hinzu: „Darf ich Euch mit meinem Gemahl, Sir Edmund Fitzhugh, bekannt machen. Sir Edmund, das sind die Herren Kelway, Smith und Nares, allesamt guteMusikkenner.“
    Nach einem allgemeinen Verbeugen und Händeschütteln eröffnete Sir Edmund die Unterhaltung mit der Frage: „Welchen Eindruck nehmen die Herren als Kenner guter Musik von dieser Aufführung mit?“
    Mr Nares verzog die Lippen. „Nun, es hätte schlimmer kommen können. Nach den überschwänglichen Berichten aus Dublin hatte ich allerdings ein wahres Wunder erwartet.“ Die anderen nickten beifällig, und Mr Smith wies zur Decke und bemerkte: „Ich muss zugeben, er hatte einen ausgezeichneten Textdichter.“
    Seine witzige Bemerkung rief allgemeine Heiterkeit hervor, nur Mr Nares behielt seinen nörgelnden Ton bei. „Ich bin sicher, dass dieses Stück Händels Popularität nicht sonderlich vergrößern wird. Dem König mag es vielleicht gefallen, aber alle anderen werden es

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